Der Pakt der Wächter: Roman
Domingo , aber ich arbeite die meiste Zeit in meinem Büro hier im Palast.«
Wir unterhalten uns bis nachts um zwei. Dabei stelle ich sie mir die ganze Zeit über in meinem Bett vor, nackt, das Haar ausgebreitet auf dem Seidenlaken, ihr warmer Atem auf meiner Haut, ihre glühenden Augen, spitze Brüste und ein Piercing im Bauchnabel. Wir unterhalten uns über den Unterschied zwischen New Age und Religion, über die Lebensbedingungen in Süd- und Nordamerika, über die Auswanderung aus Afrika und die Bildung der ersten menschlichen Stämme. Ich stelle mir vor, wie sie ihre Beine um meine Hüften schlingt und mir mit ihren Nägeln den Rücken zerkratzt. Sie erzählt mir von ihren Freunden von Grateful Dead und Jefferson Airplane und von den durch LSD und Meskalin hervorgerufenen Halluzinationen. Ich sage, zweideutig, dass ich keine Stimuli brauche, um zu halluzinieren. Und sie antwortet, ebenso zweideutig, dass sie das weiß.
Als wir uns eine gute Nacht wünschen, umarmt sie mich und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, als wollte sie sagen, wäre ich 1967 in Frisco gewesen, hätte was aus uns werden können. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. 1967 war ich gerade erst angedacht.
Der Abdruck ihres Körpers brennt auf meiner Haut, als ich mich ins Bett lege.
3
Den ganzen nächsten Tag verbringe ich in der Bibliothek.
Ich bekomme weder Beatriz noch Esteban zu Gesicht. Stattdessen leisten mir die Bücher, Briefe, Manuskripte und Schubladen voller jahrhundertealter Karten von den karibischen Inseln und Küstenstreifen des amerikanischen Festlandes Gesellschaft.
Die Bibliothek befindet sich in der ersten Etage, mit Fenstern, die auf den Park hinausgehen. Von dem rechteckigen Hauptsaal gehen zehn Gänge ab. Einige davon sind vom Boden bis zur Decke mit Büchern angefüllt, in anderen stehen Schränke und Schubladenelemente mit geographisch, thematisch und chronologisch geordneten Dokumenten, Briefen, Karten und anderen Schriften. Am Ende der Bibliothek ist eine große, schwere Flügeltür mit Messingbeschlägen. Ich lege die Hand auf die Klinke. Die Tür ist abgeschlossen. Da sehe ich an der Wand neben dem Rahmen das Codeschloss, den Fingerabdruckleser und den Irisscanner.
Durch einen Zufall entdecke ich eine Abteilung, die den Raubzügen der Wikinger in der Karibik gewidmet ist. Zwischen Gerichtsprotokollen und Todesurteilen stoße ich auf Holzschnitte berüchtigter Piraten und Freibeuter, die wie Könige posieren. In einer schwarzen Pappmappe liegen lange Briefe an Estebans Vorfahren von Seeräuberlegenden wie Henry Morgan, Francis Drake und Edward »Blackbeard« Teach. In einer Holzlade sind lauter Dokumente aus der Zeit, als die USA noch aus dreizehn Kolonien bestand: Briefe, Verträge, ja sogar eine von Thomas Jeffersons frühen Skizzen der Unabhängigkeitserklärung. Nach einem kurzen Mittagessen, das ich alleine unter einem Sonnenschirm auf der Bibliotheksterrasse einnehme, entdecke ich eine norwegische Abteilung, die haufenweise seltene Erstausgaben und Originalmanuskripte und einen Briefwechsel zwischen Hamsun und Ibsen umfasst.
4
Später stattet Esteban der Bibliothek einen Besuch ab. Er tut so, als wäre es rein zufällig, dass wir uns hier treffen, als wäre er nur gekommen, um sich eine spannende Nachtlektüre auszusuchen. Aber so leicht lasse ich mich nicht hinters Licht führen.
Ich frage ihn, was sich hinter der verschlossenen Tür befindet, und er antwortet, die wertvollsten und seltensten Bücher und Dokumente seien in einem eigens dafür angefertigten Sicherheitsflügel untergebracht.
Als ob es einem Dieb gelingen würde, auch nur einen einzigen Punkt aus dem Miércolespalast hinauszuschmuggeln.
»Bjørn, es geht um das Manuskript, das Sie auf Island entdeckt haben.«
Schon wieder.
»Ist es«, fragt er, »eine Frage des Geldes?«
Seine Frage kommt so überraschend, dass mir so schnell keine Antwort einfällt.
»In diesem Fall werden Sie feststellen, dass mir Mittel zur Verfügung stehen, die Sie zu einem mehr als wohlhabenden Mann machen könnten. Und die Ihnen die Möglichkeit eröffnen würden, sich spannenderen Tätigkeiten zu widmen als denen eines Oberassistenten an der Universität Oslo.«
»Ich mag meine Arbeit.«
»Sie werden Ihr neues Leben noch mehr mögen.«
»Warum ist das Manuskript so wichtig?«
»Es würde die Sammlung komplettieren.«
Keine Lüge, aber auch nicht die ganze Wahrheit.
»Lassen Sie mich darüber nachdenken.«
Ich habe
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