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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Maihaugen in Lillehammer wiederaufgebaut.

8
     
    Ein freundlicher Föhnwind weht über die Landschaft, als ich vor der Stabkirche von Garmo stehe und das Gebäude mit den Drachenköpfen und der schlanken Turmspitze bewundere.
    Die Sandvig’sche Sammlung – Maihaugen – wurde 1904 eröffnet, nachdem Anders Sandvig fast zwanzig Jahre lang alte Gegenstände, Gebäude und Höfe aufgekauft und auf dem Gelände des Freilichtmuseums wiederaufgebaut hatte. Nachdem die Stabkirche von Garmo abgerissen worden war, wurden die Bauteile auf einer Auktion versteigert. Gemeinsam mit Trond Eklestuen kaufte Sandvig alle Teile zurück, die sich aufspüren ließen, so dass die Stabkirche wiederaufgebaut werden konnte, wenn auch zum Teil mithilfe von Bauteilen anderer Gebäude oder Kirchen.
    Die Handwerker und Konservatoren, die die Kirche um 1920 wiedererrichteten, waren so intelligent, die originalen Bauteile zu markieren. So brauche ich für die Untersuchung des Kirchenraums nicht mehr als vier Stunden.
    In einem stillen, dunklen Winkel der Kirche stoße ich auf eine Wandtafel mit einem verblassten Motiv von Olav dem Heiligen. Der König, der die Christianisierung durchführte, ist in roten Samt gehüllt und streckt kniend ein Kreuz in den Himmel.
    Auf dem breiten, geschnitzten Rahmen des Bildes entdecke ich Anch, Ty und das Kreuz, daneben mehrere Zeilen mit lateinischen Buchstaben und altnordischen Runen.
    Ein neuer Rebus.

9
     
    Der verschlüsselte Text auf der Wandtafel ist lang und verzwickt. Ganze zwei Tage spiele ich in meinem Versteck in Nesodden verschiedene Zeichenkombinationen durch, ohne auch nur einen einzigen Schritt weiterzukommen.
    Dabei beginne ich in einer Art Psychoradar, die Anwesenheit meiner Verfolger irgendwo dort draußen zu erahnen. Auf den Booten, die über den Fjord gleiten. In dem Helikopter, der unentwegt über dem Haus kreist, oder in den Autos, die oben auf der Hauptstraße an der Abfahrt vorbeifahren. In den Männern, die unten auf dem alten Anleger, wo früher die Nesoddenfähre angelegt hat, angeln.
    Noch haben sie nicht herausgefunden, wo ich mich versteckt habe.
    Ich dachte, ich hätte allmählich den Dreh heraus, wie die Codes zu knacken sind, aber da hab ich mich getäuscht. Am dritten Tag rufe ich Terje an, der die Gelegenheit nutzt, ein paar höchst unverdiente Überstunden abzufeiern, und zu mir rauskommt, um mich zu unterstützen.
    Wir probieren es mit verschiedenen Caesar-Kombinationen, aber die Runenzeichen scheinen keinem System zu unterliegen. Das verwirrt selbst Terje. Obgleich wir keine Ahnung haben, was in dem Text steht, behauptet er, dass irgendetwas daran falsch sein muss. Mit der Struktur der Zeichen stimmt etwas nicht.
    »Das ist eine Suppe aus zufällig zusammengekehrten Runen«, sagt Terje.
    Am vierten Tag haben wir die Lösung. Das heißt – Terje hat die Lösung. Ich bin schon froh, wenn ich einigermaßen verstehe, was er mir erklärt.
    Ein paar Runen treten in dem Text mit einer Häufigkeit auf wie kein anderer Buchstabe irgendeiner europäischen Sprache. In unserer modernen Schriftsprache kommt zum Beispiel das E – oder das entsprechende Zeichen dafür – sehr viel öfter vor als der weniger gebräuchliche Buchstabe M. Alle Sprachen folgen einer solchen mathematischen Gesetzmäßigkeit.
    Das Problem bei dem Garmotext ist nun aber, dass einzelne Zeichen so absurd oft vorkommen, dass sich Terje der Verdacht aufdrängt, ein Teil der Zeichen könnte vielleicht nur zum Zweck der Verwirrung in den Text eingefügt worden sein, als Blindzeichen, sozusagen. Eine solche Verschleierungstaktik würde nicht nur die Entschlüsselung des Codes erschweren, sondern auch die Häufigkeit und regelmäßige Verteilung einiger bestimmter Runen erklären.
    Ich schlage vor, auszuprobieren, was passiert, wenn wir jedes zweite oder dritte Zeichen weglassen.
    Zu meinem Erstaunen findet Terje die Idee gut.
    Wir stürzen uns mit frischem Enthusiasmus auf die Aufgabe.
    Nachdem wir die Blindzeichen identifiziert haben, sechs Runen, die sich in einer Loop-Schleife wiederholen, sitzen wir vor einem nicht minder kryptischen Text, den wir nun aber zumindest mit einem Codeschlüssel angehen können.
    Der Schlüssel folgt dem System eines der früheren Codes, ist aber noch etwas komplizierter.
    Zuerst hat der Runenmeister die Caesar-Methode angewandt – indem er jedes Zeichen durch ein anderes, im Alphabet verschobenes, Zeichen ersetzt hat – und dann die Worte von hinten nach vorne geschrieben. Und um

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