Der Pakt der Wächter: Roman
darüber zu berichten. Die Ägypter haben schon immer unbequeme Geschehnisse und unpopuläre Herrscher aus ihrer Geschichte gestrichen. Immer wieder haben Machthaber die Geschichtsschreibung beeinflusst. Sogar die Namen von Königen mit höchstem Ansehen wurden gestrichen, wenn sie in Ungnade gefallen waren. Mächtige Männer verschwanden aus der Erinnerung und der Geschichte. Ihre Namen wurden ausradiert. Gedenksteine zerstört. Tempel und Statuen wurden dem Erdboden gleichgemacht oder anderen Herrschern gewidmet. Das beste Beispiel ist der größte Prophet der Bibel.«
»Moses?«
»Sollte die biblische Darstellung Mose korrekt sein, muss er einen enormen Einfluss auf seine Zeit gehabt haben. Den Ägyptern kann dieser Moses nicht egal gewesen sein. Er muss für sie ein Prophet gewesen sein oder ein Zauberer, ein Freiheitskämpfer, ein Aufwiegler oder ein Verräter. Doch wie wird Moses von seinen Zeitgenossen oder der Generation danach beschrieben?«
»Gar nicht.«
»Genau. Moses ist aus der Geschichte gestrichen worden.«
»Was leiten Sie daraus ab?«
»Dass er entweder nie existiert hat oder bei seinen Zeitgenossen in Ungnade gefallen ist.«
»Zu welchem Ergebnis kommen Sie mit Ihren Hypothesen und Schlussfolgerungen?«
»Was kann so wichtig gewesen sein, dass der Hohepriester Asim, der sein Leben der Bewachung eines Heiligtums verschrieben hat, einen Brief an den Kalifen seines Landes geschrieben hat?«
»Ein Splitter vom Kreuze Jesu?«, spaße ich.
»Oder etwas noch Heiligeres.«
»Noch heiliger?« Dann verstehe ich. »O nein, bitte, Stuart, ersparen Sie mir eine weitere Gralsgeschichte!«
Zu meiner Überraschung bricht er in Gelächter aus. »Gral? Bjørn, ich bitte Sie... Der heilige Gral ist ein Mythos aus dem Mittelalter. Nein, denken Sie nach. Asims Sekte hatte einen heiligen Auftrag: Sie sollte eine Grabkammer und deren Inhalt bewachen. Die Schätze. Die Mumie. Die Schriften. All das, was sich in dieser Grabkammer befand. Asim war, glaubt man den ägyptischen Quellen, seit dem Jahr 999 unserer Zeitrechnung ein Hohepriester, bis er vierzehn Jahre später von der Bildfläche verschwand. Er war ein respektierter und gelehrter Hohepriester, der viele Sprachen und Wissenschaften beherrschte. Er war Astrologe und Wahrsager, Magiker und Traumdeuter. Der Amon-Ra-Kult war bereits damals eine zweitausend Jahre alte Religion, in der die ägyptische Gotteslehre mit mosaischem Glauben, Christentum und Islam vermischt wurde. Aber sie hatte viele Götter, und auch noch im Jahre 1000 waren den Sektenanhängern die alten ägyptischen Götter am wichtigsten. Jahve war nur einer von vielen. Die Priester verbrachten ihr Leben in einem Tempelpalast, der den Eingang zur Grabkammer verdeckte. In dieser Zeit war unser Al-Hakim bi-Amr Allah Kalif in Ägypten. Er verschwand auf geheimnisvolle Weise im Jahre 1021, aber die halbmuslimische Glaubensrichtung der Drusen verehrt Al-Hakim bi-Amr Allah noch heute als ihren Mahdi, der als der Befreier der Welt und des Islams wiedergeboren werden wird.« Dunhill hält inne, ehe er fortfährt. »Was sagt Ihnen das alles?«
»Nicht viel.«
»Ich werde Ihnen etwas anvertrauen. Wissen Sie, wonach ich gesucht habe, als ich 1977 die Grabkammer gefunden habe?«
Ich schüttele den Kopf.
»Ich war auf der Jagd nach etwas, das für die Religion einen ungemein großen Wert gehabt hätte. Etwas, das gemeinsam mit einer Mumie und den kostbarsten Schätzen versteckt sein musste.« Er schließt die Augen. »Etwas, das die Wikinger unwissentlich mitgenommen haben, weil es zwischen all dem Gold und den Edelsteinen lag.«
»Was?«
»Etwas, das vermutlich ein völlig neues Licht auf die Bibelgeschichte wirft. Glauben wir den jüdischen Schriften wie der Misjnáen , wurde ein Heiligtum in einer Grabkammer in einem kargen Tal unter einem Höhenzug versteckt. Das Tal der Könige...?«
»Können Sie mir nicht sagen, wonach Sie gesucht haben?«
»Ich befürchte, dass Sie mich wie alle anderen auslachen.«
»Ich lache nicht.«
»Ich spiele mit dem Gedanken, dass die Wikinger die Bundeslade mitgenommen haben!«
Sein Blick verschwimmt.
Das fehlte gerade noch. Die Heilige Lade. Jeder, der bisher davon geträumt hat, die Bundeslade zu finden, hat sich irgendwann in den Wahnsinn gesoffen.
Die Heilige Lade war ein tragbares Heiligtum. In der Bibel wird sie als ein zweieinhalb Meter langer Schrein beschrieben, der innen wie außen mit Gold verkleidet und mit zwei Cherubimfiguren geschmückt ist.
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