Der Pakt der Wächter: Roman
seiner Forschungsarbeit verhelfen.
»Wiedergutmachung! Nenn es, wie du willst. Rache! Revanche! Fachliche Rehabilitation! Du weißt ja nicht, wie viel es mir bedeuten würde, wenn ich mit deiner Hilfe beweisen könnte, dass meine Theorie stimmt und die Wikinger wirklich in Ägypten gewesen sind.«
Zu meinem Entsetzen rollt eine Träne über seine Wange. Ich starre verlegen aus dem Seitenfenster.
»Ich glaube«, sagt Stuart, »die Thingvellirrollen beinhalten etwas, das beweist, dass ich recht habe. Dass ich in all diesen Jahren recht hatte.«
Im alten Theben verband eine gepflasterte Straße den Karnaktempel mit dem Tempel von Luxor. Dort flanierten die Pharaonen mit ihren staubigen Sandalen und schmiedeten Kriegspläne, ehe sie zurück in den Palast gingen, um Datteln zu essen und ihre Schwestern zu besudeln.
Heute werfen die beiden Tempel mit ihren Gotteshäusern, Obelisken, Sphinxen und gigantischen Statuen lange Schatten auf das Land oberhalb des Flusses.
Wir steigen im Winterpalast auf der Hauptstraße Corniche el Nile ab. Im Westen, auf der anderen Seite des Nils, geht die Sonne unter. Der rote Schimmer der Dämmerung lässt die Felsen erglühen und mit ihnen die Tempel und Grabstätten der Pharaonen, Königinnen und Prinzen.
Das ist schon ein bisschen exotischer, als an einem grau verhangenen Tag in Brandbu anzukommen.
Die vergessene Stadt
ÄGYPTEN
1
Das Tal der Könige schläft den ewigen Schlaf zwischen den Bergen auf der Seite des Nils, die den Toten vorbehalten ist.
Der genius loci der Zeitlosigkeit – eine ganz eigene Atmosphäre – weilt über dem goldenen Tal. Das gleiche Gefühl von Unvergänglichkeit kann einen im Forum Romanum in Rom überkommen oder in der Akropolis in Athen; die Erkenntnis der Flüchtigkeit von Zeit und des trägen Wellenschlags der Geschichte. In den Felsschluchten lagen mächtige Könige in ihren verborgenen Grabkammern. Ramses. Seti. Thutmosis. Amenhotep. Tut-anch-Amon. In einem Zeitraum von etwa fünfhundert Jahren wurden über sechzig Grabkammern in den Berg gehauen.
Eine Windböe fährt heulend durch die Kluft.
Stuart und ich sitzen mit Hunderten von Touristen in einer von einem schnaufenden Traktor gezogenen Bimmelbahn, die uns in das Tal der Könige bringt. Der feine Sand klebt auf unserer Haut. Die Felswände strecken sich in den Himmel.
Die Grabkammer, die Stuart mir zeigen will, liegt hoch oben in einer schmalen Felsspalte. Der Eingang zeigt nach Norden. Die innere Grabkammer ist jedoch nach Osten ausgerichtet, ein Spiegelbild der Unterwelt in der ägyptischen Mythologie.
Schnaufend steigen wir die lange, steile Treppe zu dem bescheidenen und einst gut getarnten Eingangsbereich nach oben. Ein Grabwächter nimmt unsere Tickets entgegen und lässt uns in den Tunnel eintreten. Die Luft ist so feucht und schwül, dass ich automatisch am Halsausschnitt meines T-Shirts herumzerre.
»Eins der ersten Dinge, um die sich ein neu ernannter König kümmerte, war der Bau seiner Grabkammer«, sagt Stuart. »Hunderte von Gräbern brauchten Jahrzehnte für eine Grabkammer wie diese. Zuerst waren die Arbeiter fürs Grobe an der Reihe, die Steinhauer. Dann kamen die Dekorateure mit ihren Pinseln und zum Schluss die Priester, um die Gräber zu segnen.«
Auf der schmalen, steil nach unten führenden Treppe müssen wir uns mehrmals seitwärts an die Wand drücken, um Touristen vorbeizulassen, die auf dem Weg nach draußen sind. Ich versuche, meine aufkommende Klaustrophobie zu verdrängen. Die Luft ist zum Schneiden. Als die ersten Grabräuber und Archäologen seinerzeit die Gräber öffneten, konnte die ausströmende abgestandene Luft lebensgefährlich sein. Der Sherlock-Holmes-Autor Arthur Conan Doyle stellte sogar die Theorie auf, dass in den Grabkammern Spuren eines tödlichen Schimmelpilzes hinterlassen wurden, um jeden Eindringling zu strafen.
Unbewusst, oder vielleicht auch nicht, atme ich durch die Nase weiter.
Schritt für Schritt bewegen wir uns Hunderte, nein, Tausende Jahre in die Vergangenheit zurück. Um die Abnutzung durch Millionen von Touristensohlen zu verhindern, haben die Behörden für Denkmalschutz Gehwege aus Holzbohlen anfertigen lassen. In einer langen Kolonne dringen wir tiefer und tiefer ins Innere des Berges vor. Ich kriege immer weniger Luft, aber ich sage nichts. Will ja nicht wie ein Weichei dastehen.
Die Decke ist blau und mit goldenen Sternen bemalt. Die Vorhalle wird von zwei massiven Säulen dominiert und ist mit
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