Der Pakt der Wächter: Roman
werden will. Ein Logenbruder oder ein Lakai, ich sehe da keinen Unterschied, hat uns hereingelassen, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Zwanzig, dreißig Männer in schwarzen Anzügen sind in dem Wohnzimmer versammelt. Die meisten trinken Cognac. Der Zigarrenrauch ist so dicht, dass mir die Augen tränen.
»Bjørn! Stuart!«
Luigi tritt aus dem Kreis einiger Herren heraus, stellt das Cognacglas auf ein Spiegelbord und legt die Zigarre in einem Aschenbecher ab. Dann klatscht er laut in die Hände. »Meine Herren«, ruft er, »darf ich Ihnen Bjørn Beltø vorstellen? Sie alle haben von seinem Einsatz bei der Bergung des Shrine of Sacred Secrets gehört.«
Vereinzelter Applaus.
»Und hier haben wir Stuart Dunhill, den Archäologen, der nachgewiesen hat, dass die Wikinger bis nach Theben kamen.«
Stuart deutet eine Verbeugung an.
Luigi begleitet uns und stellt uns den Logenbrüdern vor. Wir schütteln jedem einzelnen die Hand. Einer der bibliophilen Genossen ist Tomaso aus dem geheimen Archiv des Vatikans. Ein anderer ist der Eigentümer einer der größten Buchhandelsketten Italiens. Es sind mehrere Antiquare anwesend, Bibliothekare, diverse Autoren und ein Verlagschef von Bompiani, daneben eine Handvoll Männer, deren Tätigkeitsfeld diskret verschwiegen bleibt. Die Namen werden im Flüsterton vorgetragen, um augenblicklich in meinem miserablen Namensgedächtnis zu verdampfen.
Einer der Anwesenden drückt meine Hand besonders lange. »Bjørn Beltø, Sie sind das also.« Ich schätze ihn zwischen sechzig und siebzig. Er ist immer noch ein gut aussehender Mann, stattlich, mit scharfen Gesichtszügen, das lange graue Haar nach hinten gestrichen.
Als er meine Hand loslässt, wird sie sofort von einem glatzköpfigen, dicken Mann übernommen, der sich als ammiratore vorstellt, was Bewunderer heißt, wie Luigi übersetzt.
»In der E-Mail an meine Brüder habe ich mir zu erwähnen gestattet, in welcher Mission ihr unterwegs seid«, sagt Luigi, »und ich bin stolz, sagen zu können, dass unser bescheidenes Netzwerk etwas herausgefunden hat, das euch weiterhelfen kann. Und wir hoffen natürlich«, fügt er hinzu, »dass ihr im Gegenzug uns helfen werdet.«
Seine Stimme hat einen zeremoniellen Klang angenommen. Die Heerschar gut gekleideter, grauhaariger Männer prostet sich zu.
»Lasst mich euch den Club präsentieren. Sie und alle, die von der Existenz unserer exklusiven Bruderschaft wissen, kennen uns als einen bibliophilen Herrenclub. Was auch stimmt. Naturalmente . Aber der Club wurde 1922 mit einem ganz speziellen und okkulten Ziel gegründet.«
»Okkult?«
»So werden es die meisten Leute auffassen.«
»Aus welchem Grund?«
Luigi hebt das Cognacglas. »Ich nenne das Kind beim Namen: Wir suchen nach Satans verlorener Bibel.«
In dem Raum ist es mit einem Mal so still, dass die fernen Geräusche der Stadt durch die geschlossenen Fenster zu hören sind. Ein Dorn des Grauens bohrt sich in meinen Brustkorb.
»Sie sind Satanisten?«
Die Anwesenden lachen laut.
Luigi klopft mir auf die Schulter. »O nein, nein, mein Freund. Wir sind keine S atanisten. Wir verehren S atan nicht. Unser Interesse ist rein akademischer Natur. Wir interessieren uns für Satans Rolle und seine Funktion in der Bibel und der christlichen und jüdischen Mythologie.«
»Satans... Rolle?«
»Wir wissen zum Beispiel, dass aus vorchristlicher Zeit eine verlorene Bibel existiert – vielleicht wäre Schriftsammlung die korrektere Bezeichnung. In diesen Manuskripten werden die Lebensgeschichte und die Vision des Teufels beschrieben, formuliert von seinen Anbetern, genau wie die Bibel von Jesus und den Lebensgeschichten und Gesetzen der Propheten erzählt.«
»Jesses.«
»Wir weihen Sie in unser Geheimnis ein, weil wir glauben und hoffen, dass sich das Manuskript, die sogenannte Satansbibel, in Ihrem Besitz befindet.«
»Wie um alles in der Welt kommen Sie darauf?«
»Deduktion, Annahme, Vermutungen. Eine Abschrift der satanischen Bibel wurde fünfhundert Jahre vor Christus von Mesopotamien nach Ägypten gebracht, wo sie dem heiligen Mann ins Grab folgte. Es könnte dieses Manuskript gewesen sein, das Ihre Vorfahren, die Wikinger, mitgenommen haben.«
»Und dann ist die Mumie wohl der Teufel persönlich?«
Wieder rollt eine Welle amüsierten Gelächters durch die Versammlung.
»Was lässt Sie annehmen, dass diese satanischen Schriften in der Grabkammer der Amon-Ra-Sekte gelegen haben könnten?«
»Die drei von Ihnen erwähnten
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