Der Pakt der Wächter: Roman
Symbole: Anch, Ty und Kreuz, haben mich auf den Gedanken gebracht. Ich erinnerte mich, dass mir diese Symbolkombination schon irgendwann einmal untergekommen ist. Aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, wo und wann. Also habe ich mich an meine Brüder gewandt.«
Einer der ältesten Männer, Marcello Castiglione, tritt einen Schritt aus dem Herrenzirkel heraus und zieht einen Papierbogen aus der Innentasche seines Anzugs.
»Das hier ist die Fotokopie eines Tagebucheintrags von Bartolomeo Kolumbus, Christophs Bruder, den er auf einer seiner Fahrten in der Karibik gemacht hat«, sagt Marcello Castiglione stotternd, aber in ansonsten korrektem Englisch.
Er reicht mir den Bogen, der mit einer zierlichen Handschrift voller Schleifen und Schnörkel beschriftet ist.
»Der Inhalt wird Ihnen nicht viel sagen, aber wenn ich Ihre Aufmerksamkeit freundlicherweise hierhin lenken dürfte...« Er zeigt etwa in die Mitte des Bogens.
»Hä?«, sage ich.
Ich weiß nicht, ob »Hä?« im Italienischen die gleiche Bedeutung hat wie im Norwegischen, aber aus dem Lächeln auf den Gesichtern der Männer schließe ich, dass sie sich über mein verblüfftes Erstaunen amüsieren.
»Und das soll der Bruder von Christoph Kolumbus geschrieben haben?«
Marcello Castiglione nickt feierlich.
»Unfassbar!«, platzt Stuart heraus. »Das ist vollkommen neu! Bartolomeo Kolumbus.«
»Und wieso hat dieser Kolumbus die Symbole aufgezeichnet?«
»Das weiß niemand«, antwortet Luigi. »Er hat die Symbolkombination als Wächtersiegel bezeichnet.«
»Bartolomeo Kolumbus erwähnt in seinem Tagebuch einen versiegelten Brief, den er zurück nach Europa bringen sollte«, sagt Marcello Castiglione. »Er nennt nicht den Absender, der ihm den Brief von der neu entdeckten karibischen Insel mitgegeben hat, verrät aber, an wen der Umschlag adressiert war.«
Er legt eine Kunstpause ein.
» Erzbischof Erik Valkendorf von Nidaros im Reich Norwegen. «
Ich schnappe nach Luft.
»Aus anderen Quellen«, sagt Luigi, »wissen wir, dass Kolumbus den Brief gewissenhaft mit nach Europa gebracht hat, zuerst nach Lissabon und Vale do Paraíso in Portugal, später nach Spanien. Dort hat er den Brief einem spanischen Bischof übergeben, der nicht sonderlich davon erbaut war, den Postboten zu spielen. Nicht einmal für einen norwegischen Erzkollegen. Der misstrauische Bischof scheint das Siegel erbrochen und den Brief geöffnet zu haben, um ihn darauf, erschrocken über den Inhalt, an einen Repräsentanten der spanischen Inquisition weiterzuleiten, der dem spanischen König unterstand und nicht dem Vatikan. Dennoch wird der Brief in den vatikanischen Registern 1503 erwähnt, also unter der Herrschaft von Papst Julius II. Fünfzig Jahre später trug die Inquisition des Papstes den Namen Die heilige Kongregation für die heilige römische und allgemeine Inquisition , und diese Kongregation gelehrter Priester katalogisierte den Brief als magische Geheimschrift, eine Beschwörungsschrift, und damit als ketzerisch.«
»Die Inquisition, wenn auch eine abgemilderte und barmherzigere Form, gibt es übrigens noch heute«, fügt Tomaso hinzu. »Sie trägt jetzt den Namen Kongregation für die Glaubenslehre und ist Teil der Zentralverwaltung der katholischen Kirche.«
»Wir fragen uns«, sagt Marcello Castiglione, »was in dem Brief gestanden hat. Es muss erschütternd gewesen sein, schließlich hat es den Bischof davon abgehalten, den Brief an seinen rechtmäßigen Empfänger auszuhändigen. Stattdessen hat er ihn der Inquisition übergeben.«
»Gibt es den Brief noch?«
»Ja. Oder nein. Will sagen: vielleicht. Aber wir wissen nicht, wo«, räumt Luigi ein.
»Allem Anschein nach wurde der Brief zwischen 1820 und 1825 aus dem vatikanischen Archiv gestohlen«, erklärt Marcello Castiglione.
»Der Verdacht richtete sich auf einen wohlhabenden jüdischen Theologen, wohnhaft in Prag«, sagt Luigi. »Er hatte sein Leben der Sammlung religiöser Schriften geweiht und hegte eine Faszination für alles, das mit Satan zu tun hatte. Wir vermuten, dass er einen kleinen Beamten im vatikanischen Archiv bestochen hat, ebendieses Dokument für ihn zu stehlen. Obgleich nicht ganz nachvollziehbar ist, wieso ein offensichtlich unleserliches Dokument aus dem 16. Jahrhundert aus der Karibik, adressiert an einen norwegischen Bischof, einen Sammler interessieren sollte, der sich auf Manuskripte und Dokumente aus dem Nahen Osten spezialisiert hatte.«
»Was geschah mit der
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