Der Pakt der Wächter: Roman
sind über und über voll mit den Resten ihrer Notdurft und ihres Urins, ihres Schweißes, und vom Blut ...
... furchtlos, grob und brutal. Mit ungezügelter Wildheit kämpfen sie gegen jeden Feind. Sogar tödlich verwundet oder mit abgetrennten Gliedmaßen setzen sie den Kampf fort. Mutige Männer, die im Kampf sterben, werden von Walküren in ein Paradies gebracht, das sie Walhalla nennen. Dort leben die Gefallenen als Einherier und können in alle Ewigkeit kämpfen, essen, trinken...«
7
Aufgewühlt und verwirrt über den Fund der uralten Texte taumele ich durch die Gassen von Rom. Stuart ist im Vatikan geblieben, um Kopien zu machen.
Die Sonne wärmt noch ein bisschen. Motorroller rasen im Zickzack zwischen den Autos entlang, die im nachmittäglichen Stau stehen. Eine Kirchenglocke ertönt klar und rein in der Ferne und erhält sogleich eine Antwort. In den Straßencafés sitzen Touristen und Römer, vor sich auf den kleinen Tischchen winzige Kaffeetassen. Auf der Piazza Venezia laufe ich mitten durch einen Taubenschwarm, der sich wie ein Reißverschluss öffnet und wieder schließt.
Mein Herz will sich nicht beruhigen. Befindet sich Asims Schatz noch immer in der Dollsteingrotte, wie Adelheid behauptet? Oder hat Ragnvald Orknøyjarl ihn an sich genommen und in der St.-Magnus-Kathedrale versteckt?
In einer Parallelstraße auf der anderen Seite des Platzes bahnt sich klagend und heulend ein Polizeiwagen den Weg. Irgendwo hupt ein Auto. Ein Bus spuckt Touristen aus.
Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch in Rom. Ich brauchte mehr als eine Stunde, um den Tarpejischen Felsen zu finden, verbrachte Stunden im Colosseum, stellte mir die raunenden Menschenmassen vor und ließ mich in den Ruinen des Forum Romanum von der Sonne braten. An einem wohlig warmen Abend spazierte ich allein zwischen lauter Liebespärchen durch die Straßencafés in Travestere.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen, als ein Roller aus einer Hofeinfahrt schießt und vom Verkehr verschluckt wird. Eine empörte Taube, die ein Stück Brot gefunden hat, weigert sich standhaft, Platz zu machen. Unaufmerksam mache ich einen Schritt auf die Straße. Jemand packt mich am Kragen und reißt mich zurück, ein Alfa Romeo macht hupend eine Vollbremsung. Ich drehe mich um, um dem Fremden zu danken, der mich vor dem Wagen gerettet hat, doch der hat sich schon umgedreht und eilt in die andere Richtung davon.
Aus einer Telefonzelle rufe ich Ragnhild bei der Polizei in Oslo an und erkundige mich, ob es Neuigkeiten gibt.
»Ach, da sind Sie«, sagt sie in einem Tonfall, als würde nach mir gefahndet. Sie berichtet mir, dass sie Hassans Versteck in Oslo gefunden haben. Ein Makler hat ihm eine Wohnung in Frogner verkauft. Das Geld stammte von einem Konto in London und war als Baranweisung ausgezahlt worden. Die Polizei hat in der Wohnung Waffen und Überwachungstechnik gefunden, aber keine Menschen.
In meinen Gedanken herrscht das reinste Chaos. Langsam schlendere ich zurück zu unserem Hotel auf dem Quirinal.
8
An der Hotelrezeption wartet eine hübsch gestaltete, illustrierte Einladung auf dickem Büttenpapier für eine Zusammenkunft in Luigis bibliophilem Herrenclub abends um 20 Uhr.
Ich fahre mit dem klapprigen Aufzug in die fünfte Etage.
Jemand ist in meinem Zimmer gewesen. Das Zimmer sieht noch genauso aus, wie ich und das Zimmermädchen es verlassen haben. Das Bett ist gemacht. Der Mülleimer geleert. Aber die kurzen Zwirnfäden, die ich in den Reißverschluss meiner Kulturtasche und zwischen die Bücher und Papiere auf dem Schreibtisch geschoben hatte, sind fort.
Jemand hat nach etwas gesucht, aber nichts gefunden.
Hassan? Weiß er, dass ich in Rom bin? Warum hat er mich nicht gefasst?
Ich stelle mich ans Fenster, von dem aus ich auf das Mosaik der Hausdächer und Kirchenkuppeln der Großstadt schauen kann. Auf der anderen Seite des Tibers sehe ich durch den Dunst den Petersdom. Auf der anderen Straßenseite vor dem Hotel lehnt ein Mann an einem Laternenpfahl und liest den Corriere della Sera . Eigentlich sieht er ganz harmlos aus. Vermutlich schöpfe ich deshalb Verdacht.
Satans Bibel
1
Luigis Herrenclub liegt hinter einer Mahagonitür im dritten Stock eines ehrwürdigen Mietshauses in der Via Condotti , in unmittelbarer Nähe der Spanischen Treppe. Ein Stadtteil, der den Anschein erweckt, sich nach wie vor in der Vergangenheit zu befinden und sich nicht entscheiden zu können, welcher Stilepoche er zugeordnet
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