Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
wir überhaupt?«
»Es ist halb sechs«, sagte Kim. »Henry ist nicht da, Sir.«
Jim war sofort hellwach. »Was soll das heißen, Henry ist nicht da?«
»Er ist weg! Wie sollen wir jetzt das Frühstück für die Gäste machen, er hatte doch die Schlüssel für das Lager!«
Jim starrte sie an und sandte ein Stoßgebet in Richtung Himmel. Bitte, lass mich ein Paar Zweitschlüssel am Schlüsselbrett finden! Er war sich nicht sicher, überhaupt nicht sicher, ob der Zentralschlüssel für das Lager in der Küche passte.
»Waren Sie schon in seinem Zimmer?«
»Nein, ich ...«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Jim setzte das charmanteste aller Lächeln auf. »Ich löse dieses kleine Problem.« Er legte in diesen Satz so viel Zuversicht - und Gottvertrauen, was natürlich die kleine Küchengehilfin nicht verstand, dessen war er sich bewusst, er erkannte diese Menschen auf zehn Meter Abstand im Dunkeln, ha, könnt ihr mir bitte ein Amen geben - dass Kim erleichtert nickte.
»Ich hatte für einen Moment wirklich Angst, das Frühstück würde nicht rechtzeitig fertig werden.«
Ich werde Henry so was von in den Arsch treten - Verzeihung. Jim nickte, noch immer lächelnd. »Nur ein Viertel des üblichen Personals ist da, nicht wahr?«
»Ja, Sir.«
Natürlich. Er persönlich hatte sie in den Urlaub geschickt. Für so wenige Gäste braucht man nur wenig Personal. Vor allem keinen zweiten Koch.
Jim kleidete sich in Windeseile an und studierte dann das Schlüsselbrett an der Wand: kein Schlüssel für das Lager. Aber Bradley sollte einen haben. Der gute, alte Bradley. Ja, er würde gewiss einen Ersatzschlüssel besitzen.
Das Licht flackerte. Für zwei Sekunden stand Jim in völliger Dunkelheit, nur vom reflektierenden Weiß des Schnees von draußen erhellt, dann schaltete sich die Beleuchtung wieder ein. Jim langte nach dem Lichtschalter, schaltete das Licht einmal aus und wieder ein und dann wieder aus.
Das war gewiss nur eine kleine Spannungsspitze. Na klar. Völlig harmlos.
Er ging mit einem äußerst seltsamen Gefühl in der Magengegend in Richtung von Henrys Wohnung.
Henry? Wo bist du, du verdammter Idiot von einem Koch?
Die Zimmer der Angestellten lagen im Erdgeschoss - auch Jims Wohnung, die natürlich ein Stück weit besser ausgestattet war als der Rest, lag dort - von daher hatte er nicht sonderlich weit zu gehen. Er klopfte, zuerst ganz vorsichtig (vielleicht hatte dieser Idiot nur zu viel getrunken und lag jetzt drei Meter hinter dieser Tür entfernt und schnarchte), dann fester und am Ende schlug Jim mit der Faut kräftig gegen die Tür.
Nichts.
Er öffnete die Tür mit dem Zentralschlüssel.
Die Wohnung sah aus wie immer. Jim war schon länger nicht mehr hier gewesen, er respektierte schließlich die Privatsphäre seiner Mitarbeiter, aber er erkannte die Stereoanlage neben dem Bett und die über den Raum verteilten Zigarettenschachteln. Wo steckst du Henry? Wenn du nicht hier bist und auch nicht in der Küche, wo bist du dann?
Zuerst überzeugte sich Jim, dass auch in Henrys Wohnung kein Zweitschlüssel zu finden war, dann stieg er in den Keller, um Bradley zu fragen.
»Ich habe keinen Schlüssel hier, Sir. Henry sollte einen haben.«
»Henry ist verschwunden.« Er betrachtete den Hausmeister, der im Morgenmantel vor ihm stand. Wie alt war Bradley nun? Fünfundfünfzig? Er hat verdammt dünne Beine für dieses Alter. »Vielleicht sollten wir ihn suchen gehen.«
»Ich bin sofort bereit, Sir. Wo soll ich anfangen?«
»Sehen Sie mal im Keller und bei den anderen Mitarbeitern nach. Vielleicht auch draußen. Ich bin derweil in der Küche.«
Jim sah, wie Bradley ihm eine Stabtaschenlampe hinhielt.
»Was soll ich damit?«
»Nur für den Fall, Sir.«
Er griff nach der Lampe. »Hoffen wir, dass wir sie nicht brauchen werden.«
»Ja, Sir.«
Nur für den Fall.
Jim wurde in der Küche vom versammelten Personal erwartet. Drei Hilfsköche, vier jüngere Kellner. Nicht besonders viele, oder Jim?
»Ist er aufgetaucht?«
»Nein, Sir.«
Mistkerl. Jim ging in den Gang hinaus, der an den Lagern vorbei zum Hinterausgang führte. Im Vorübergehen rüttelte er an den Klinken und steckte einmal den Zentralschlüssel ins Schloss, in der Hoffnung, er hätte sich getäuscht und der Zentralschlüssel würde doch funktionieren. Aber natürlich passte er nicht einmal bis zur Hälfte hinein.
Draußen fielen die Flocken dicht an dicht aus einem eisgrauen Himmel. Jim ging bis an die Schneekante heran, die ihm bis
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