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Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Titel: Der Pakt des Seelensammlers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krüger
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die anderen Gäste hatten sich völlig zivilisiert verhalten. Es war auch nicht deshalb, weil die Glut im Kamin immer schwächer glühte und sich zu verzehren drohte. Es war auch nicht deshalb, weil ihr kalt war.
    Sie warf einen Blick auf ihr Mobiltelefon. Kurz vor Mitternacht. In der oberen Ecke leuchtete nach wie vor der Schriftzug, der signalisierte, dass ihr Handy kein empfangbares Netz in der Nähe gefunden hatte. Ein Königreich für einen Anruf!
    Sie hatte geschlafen.
    Sie hatte geträumt, was ungewöhnlich war, denn für gewöhnlich träumte sie nie. Zuerst hatte der Traum von Patrick gehandelt, und nachdem sie sich abermals im Traum von ihm getrennt und ihm den Fernseher nachgeworfen hatte, war sie zuerst froh gewesen, dass sich der Traum verändert hatte. Sie stand am OP-Tisch. Sie hörte die Schreie und wusste, dass es an jenem Abend war. Nein. Nicht das. Alles, aber bitte nicht dieser Abend. Aber Träume lassen sich nicht bitten. Es war dieser Abend und sie durchlebte alles ein weiteres Mal.
    Zwei schwere Unfälle zur selben Zeit. Der Albtraum jedes diensthabenden Arztes zu später Stunde. Auf der einen Seite des Operationssaals wurde eine junge Frau hereingeschoben: ein Verkehrsunfall im Norden von Manchester mit mehreren Schwerverletzten. Das andere Opfer folgte wenige Minuten später durch die zweite Tür des Saals. Es war ein Mann, um die fünfzig. Miranda konnte sein braungrau meliertes Haar in ihren Träumen sehen, sie konnte auch den Geruch seines Blutes schmecken, das Blut, das aus einer großen Bauchwunde auf die weiße Operationsunterlage sickerte.
    Sie hatten nicht die Kapazitäten, um beide zu behandeln.
    »Dr. Reiley?« Der Assistenzarzt warf ihr einen der Blicke zu, die junge Ärzte denen mit ein wenig mehr Erfahrung in Situationen, die große Entscheidungen erfordern, häufig zuwerfen.
    »Wir ...« Sie zögerte, denn diese Entscheidung war eine Entscheidung über Leben und Tod. Ihr Blick wanderte zu der jungen Frau hinüber. Sie hatte ihr Leben noch vor sich. »Wir behandeln die Frau«, antwortete Miranda.
    »Ihr habt Dr. Reiley gehört!« Der Assistenzarzt bellte Kommandos durch den OP und das letzte, was Miranda hörte, waren die Schmerzensschreie des Mannes ...
    Dann war sie erwacht.
    Jetzt wieder ein Schrei. Jetzt war alles klar. Miranda wusste nun, dass der Grund ihrer Unruhe nicht die Schreie des Mannes in ihrem Traum gewesen waren. Es waren die gedämpften Rufe aus dem Stock über ihr. Jack.

42
    Miranda warf die Decke von sich und sprang auf. Durch den schwach mit Kerzen beleuchteten Saal gelangte sie hinaus in die Empfangshalle.
    Sie war offenbar nicht die einzige, die es gehört hatte.
    Erik Richter und John Lange standen mit alarmierten Blicken bei den Treppen. In der Mitte der Empfangshalle hatte jemand einen mannshohen fünfarmigen Kerzenleuchter aufgestellt, dessen flackerndes Licht spinnengleich über den Boden huschte. Richter hörte Mirandas Schritte und drehte sich um. Sie bemerkte undeutlich, dass er seine Pistole in der Hand hielt. »Bleiben Sie, wo Sie sind!«
    »Es ist Jack! Er ist in der Hausmeisterwohnung im zweiten Stock!« Miranda wurde nicht langsamer.
    »Wir haben es gehört.« Lange schob sich vor den Treppenaufgang und Miranda erkannte, dass die beiden sie nicht durchlassen würden. »Wir können nicht einfach hinauf. Es ist stockdunkel dort oben. Wir wissen nichts darüber, was passiert ist. Wir haben keine Taschenlampen!«
    »Es passiert jetzt gerade!« rief Miranda und ihre Stimme zitterte. »Wir müssen ihm helfen!«
    Die beiden Männer wechselten einen Blick. »Wir brauchen Licht.«
    »Sie haben Angst!« schrie Miranda zurück. »Verdammt, dann holen sie Licht! Taschenlampen, Kerzen, irgendwas!«
    »Wartet hier«, sagte Richter und verschwand in der Dunkelheit.
    Miranda lehnte sich gegen die Wand. Mit dem kalten Mauerwerk im Rücken schlug ihr Herz weniger heftig und hatte sich nach einigen Minuten wieder beruhigt. Was zum Teufel war im Augenblick dort oben los? Die Rufe waren verstummt.
    »Miss Reiley«, setzte Lange an. Sein Kopf lag zur Hälfte im Schatten. »Wir wissen nicht, was dort oben gerade geschieht. Es ist möglich ... dass er tot ist.«
    Jack Carver war möglicherweise tot. Na und, was kümmert's dich? Sie kannte ihn seit zwei Tagen. Aber Miranda ahnte, dass es sie doch kümmerte. Vielleicht nur deshalb, weil er einer wenigen war, denen sie derzeit trauen konnte. Vielleicht, weil er der einzige war, dem sie trauen konnte.
    »Ich war an so

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