Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
wurden ernst. »Du kannst nicht allein dort rauf. Die Dunkelheit ist nicht natürlich, das weißt du.« Jack spürte, wie sie einen Finger in seine Brust bohrte. »Keine Alleingänge, weißt du noch? Du hast mir bei diesem Punkt zugestimmt.«
»Natürlich.«
»Dann weißt du auch, dass es gar keinen Sinn macht, mit mir zu diskutieren. Ich begleite dich.«
»Miranda, dort oben ist nichts. Die Fenster sind alle versperrt. Wenn die Weißen kommen, werden sie hier unten angreifen. Wir brauchen alle hier unten.«
»Wir brauchen vor allem dich.« Miranda deutete auf die Barrikade, wo John allen anderen erklärte, was sie zu tun hatten - nur für den Fall. »Sie sehen dich als ihren Anführer. Auch wenn die Trennung in zwei Gruppen gerade einen halben Tag her ist. Sie sind dir gefolgt, weil sie glauben, dass du die Wahrheit gesehen hast. Oder auch nur weil sie intuitiv spüren, dass du weißt, wovon du redest. Du bist der, der ihnen die Sicherheit gibt. Die Gewissheit, dass wir es schaffen können, wenn wir nur kämpfen.«
»Das habe ich nie gesagt ...«
»Nicht direkt. Aber deine Taten sprechen für sich. Die Barrikaden. Die Waffen. Die Wachposten. Du gibst ihnen einen Sinn, eine Möglichkeit, zu kämpfen, um sich zu retten. Du führst sie nicht in einen Keller, um dort auszuharren, während über dir das Hotel eingenommen wird.« Miranda legte eine Hand an Jacks Wange. »Du bist kein Feigling. Du bist ein Held. Für all die, die dort drüben stehen und sich erklären lassen, wie sie kämpfen sollen.« Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Und für mich.«
»Miranda ...«
»Und deshalb darfst du nicht dort oben ... verloren gehen. Ich begleite dich«, wiederholte sie nachdrücklich. »Warte hier. Nicht weggehen.« Miranda verschwand im Dunkel.
Sie sehen dich als ihren Anführer. Jack rieb sich die Schläfen. Was sie gesagt hatte ... es war mehr, als er erwartet hatte. Jack Carver, ein Held, wie in einer der Geschichten, die er sich vielleicht ausdenken würde, wenn ihn das schriftstellerische Glück, das ihn schon vor langem verlassen hatte, wiederfände. Aber selbst in einer solchen Geschichte mitspielen? Nein. Nie im Leben. Er war kein Held.
Du machst nur das, was nötig ist. Was getan werden muss. Ohne zu fragen, ob es schwer wird, ohne zu fragen, ob du Schmerzen haben wirst.
Vielleicht ist genau das der Stoff, aus dem Helden gemacht sind.
Als Miranda mit einer Taschenlampe zurückkehrte, nahm er sie an der Hand und ging gemeinsam mit ihr zur Treppe hinüber.
56
James Floyd betrachtete die Dunkelheit durch das kleine Kellerfenster, eines der wenigen, die nicht vergittert waren.
Es war wegen der Ratten, das hatte Jim gesagt.
Selbstverständlich war es wegen der Ratten. Floyd lachte in sich hinein. Seine linke Hand spielte mit der Trommel des Smith & Wesson-Revolvers, mit der anderen nestelte Floyd am Verschluss der Zigarettenschachtel. Wieso mussten diese Idioten diese Dinger so kleben, dass sie nicht mit einer Hand aufzukriegen waren?
Als er die Verpackung aufgebissen hatte, war er wieder fröhlich. Draußen schneite es und der Sturm peitschte gegen die Gitter der anderen Fenster. Es war ein unablässiges Klappern, nervtötend zu Beginn. Nicht mehr, wenn man schon seit Tagen hier unten war.
Ein Vorhaben wie dieses (und jenes, das noch in naher Zukunft bevorstand) setzt kluge Planung voraus. Deshalb hatte er, kaum war das Zimmer oben im zweiten Stock bezogen und die ersten Gäste in den Schneesturm verschwunden (und niemand hat sie wiedergesehen, nicht wahr? Haha!), damit angefangen, einen geeigneten Ort für sein Vorhaben zu suchen. Die Keller hatten sich als ideal erwiesen. Das Hotelpersonal war viel zu dürftig besetzt, als dass sie ihn daran hätten hindern können. Sie hatten nicht einmal bemerkt, dass er die ganze letzte Nacht in der Küche zugange gewesen war.
Carver, der hätte es bemerkt. Aber, ach, Floyd verstand ihn gut: So viel zu tun, so viel zu bedenken. Ein Fehler des großen Helden. Wie schade, dachte Floyd. Es wäre sicherlich sehr spaßig geworden, wenn ihm Carver früher auf die Schliche gekommen wäre.
Aber vielleicht war Carver doch nicht so klug. Wie er ihn um die Vorräte angebettelt hatte. Ein armseliger Schriftsteller, das war er, aber seine Fantasie reichte doch nicht aus, um zu verstehen ... bestimmt saßen sie dort oben noch immer vor der Tür und versuchten, ins Lager zu gelangen. Floyd schmunzelte.
In den vier Tagen, die er seit seiner Ankunft hier unten verbracht
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