Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
standen schräg im Wind wie abgeknickte Strohhalme. Jack drehte den Kopf. Überall dort, in den Lücken zwischen den Stämmen, waren eisblaue Augen und Umhänge, so viele, dass er sie nicht zählen konnte. Sie waren schnell und kamen näher. Die Luft war von ihren Schreien erfüllt. Jack konnte sie spüren, aber auch dieses Gefühl war schwächer, als das, was er wirklich erlebt hatte, und darüber war er froh. Mirandas Finger zuckten.
»Ich konnte sie sehen. In diesem Moment war mir klar, dass ich verloren war, weil ich den falschen Weg eingeschlagen hatte. Ich hätte es niemals zurück zum Hotel geschafft.«
Die Weißen trieben Connor tiefer in den Wald hinein, bergab, immer tiefer. Jack ahnte, wohin sie unterwegs waren. Nach wenigen Minuten schnappte die Falle zu, auf die Jack gewartet hatte. Vielleicht war die Wurzel dort schon seit ewiger Zeit, vielleicht war sie aber auch erst aus dem Boden gewachsen, als die Weißen dort aufgetaucht waren.
Connors Fuß blieb hängen und er flog durch die Luft, fiel auf den brettharten Schnee und blieb liegen.
Das war‘s. Wieso war er aber doch hier?
Die Weißen schlossen einen Kreis um ihn. Reglos. Raubtiere über dem verwundeten Wild.
»Und ich dachte, sie würden mich töten. Aber nichts geschah.«
Der Sturm heulte und der Schnee fiel, aber die Weißen bewegten sich nicht. Dann drang der Schrei eines Adlers zwischen den Stämmen hindurch. Jacks Mund klappte nach unten.
»Sie zogen ab, ohne mich auch nur zu berühren.«
Wie ist das möglich?
»Nach einer Weile wurde mir klar, dass ich allein war. Ich verstand es genauso wenig wie ihr in diesem Moment. Aber auch wenn sie mich verschont hatten ... der Sturm verschonte mich nicht. Es war kalt. Meine Zehen waren schon nach einer Stunde ohne Gefühl. Ich suchte nach einem Ausweg aus dem Wald, aber ich konnte ihn nicht finden. Statt eines Rückwegs zum Hotel ... fand ich dies.«
Jack folgte Connor durch den Wald, als der Wald mit einmal Mal endete. Sie traten hinaus auf eine sanft abfallende Lichtung, an deren Ende das Ufer des Brighton Lake lag.
»Ich erreichte den See.«
Am Ufer sahen sie alle, dass der See eine einzige, ununterbrochene spiegelnde Fläche war. »Der See war zugefroren und ich weiß nicht, ob dies häufig geschieht, aber ... mir flößte er in diesem Augenblick Furcht ein. Der Schnee blieb nicht liegen. Was auch immer dies zu bedeuten hatte ... ich rannte am Ufer entlang.«
Sie folgten Connor. Es fiel Jack nicht schwer, er hätte den sich müde dahinschleppenden Indianer mit Leichtigkeit überholen können, aber er wusste, wenn er wirklich dort gewesen wäre, dann hätte er nicht mit Connor mithalten können. Halt, korrigierte er sich, du wärst überhaupt niemals bis zum See gelangt. Die Weißen wollten dich töten, im Gegensatz zu Connor, und es wäre ihnen gelungen, wenn Erik Richter dich nicht verteidigt hätte ... wenn er dich nicht mit Kugeln aus seiner Waffe gerettet hätte ...
Der Gedanke, der ihm wie heißer Sirup ins Bewusstsein floss, war schrecklich. War es möglich, dass die Weißen ihn nicht töten wollten? Kugeln, sie schienen ihnen nichts anhaben zu können. War es möglich, dass sie von sich aus zurückgewichen waren? Richter hatte gesagt, sie hätten etwas mit ihm gemacht ... was war es gewesen?
Miranda drückte seine Hand, als sie Jacks Unruhe spürte.
»Ich war wieder im Wald«, sagte Connor, »und fand ein Loch unter einem umgestürzten Baum. Dort war ich windgeschützt und es gab Holz. Ich hatte nicht alles verlernt, was mein Vater mir beigebracht hatte, und für das Feuermachen schien ich ein natürliches Talent zu besitzen. Also schichtete ich mit meinen letzten Kräften einen kleinen Holzstoß auf und zündete ihn an. Es hat seinen Vorteil, Raucher zu sein, denn wir haben stets ein Feuerzeug in der Manteltasche.«
Sie beobachteten, wie Connor tat, was er erzählt hatte. Die Flammen waren schwächlich und es gelang ihnen kaum, gegen den Wind anzukommen. Connor wickelte sich eng in seinen Mantel und streckte die Hände aus, sodass sie dicht über der Glut schwebten.
»Ich war verzweifelt. Ich verstand nicht, was dort draußen im Wald lauerte, ich wusste nicht, wieso sie mich verschont hatten. Aber ich war mir sicher, dass ich den Rückweg zum Hotel nicht finden würde. Ich bereitete mich darauf vor, in diesem Schneesturm und der Kälte zu sterben.«
Connor vergrub die Hände in seinem Mantel und beugte sich tief über das Feuer, seine Schultern zitterten. Jack sah sich
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