Der Pakt - Rügen Thriller
alles mehr als ungewöhnlich vorkommen musste. Aber Jungs waren nun einmal begeisterte Detektive. Und im Delirium der ersten Liebe nahmen sie noch einiges mehr hin. Einmal mehr beglückwünschte Juli sich zu ihrer Entscheidung, nicht allein nach Binz gekommen zu sein.
Sie hatte die Zeit bis zu Simons Eintreffen in einem Café in der Passage am Bahnhof verbracht. Jetzt zahlte sie und ging zum Seitenausgang Richtung Frankenteich. Als sie einen grauen Ford vom Tribseer Damm einbiegen sah, lief sie zügig über die Straße, an den wartenden Taxis vorbei. Simon fuhr auf den Parkplatz am Wasser. Abgeschirmt von den anderen PKW öffnete Juli die Beifahrertür und stieg ein. So weit wie möglich rutschte sie auf dem Sitz nach unten. Die Rückbank wäre ihr lieber gewesen. Aber noch hatte Simon keine Ahnung, was hier gerade passierte, und wenn sie es ihm erklärte, wollte sie nahe bei ihm sein, sein Mienenspiel beobachten, ihn berühren, wenn es nötig war. Alles hing davon ab, dass er ihr bedingungslos vertraute. Sie zog ihr Smartphone hervor und wählte die Navigationsfunktion.
»Wo geht‘s jetzt hin?«, fragte Simon.
»Zum Moorteich. Dort befindet sich ein kleiner Ferienpark namens Keding Village. Die haben freie Bungalows. Fahr erst mal zurück zum Tribseer Damm und bieg dann auf die Barther Straße.«
Während er den Wagen startete, bedachte er sie mit einem scheuen Seitenblick, sagte aber nichts.
Juli legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Danke, dass du gekommen bist.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde. Es sieht ziemlich übel aus.«
»Willst du darüber reden?«
»Ich fürchte, dafür bräuchte ich einen halben Tag.«
»Und die Kurzfassung?«
»Eine Kurzfassung?« Sie lächelte gequält. »Nach mir wird wegen Mordes gefahndet, aber ich habe es nicht getan. Ist das kurz genug?«
»Wie bitte?« Er starrte sie so entgeistert an, dass sie befürchtete, sie würden im nächsten Moment auf den Fußweg oder die Gegenfahrbahn geraten.
»He, guck lieber auf die Straße!«, sagte sie. »Sonst schaffe ich es nämlich nicht mehr, dir irgendwann den Rest der Geschichte zu erzählen.«
Sie wartete einen Moment, bis er sich wieder etwas gefangen hatte. »Simon, ich bin reingelegt worden.«
»Von deinem Chef?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Fakt ist, er hat mich wegen eines Auftrages hierher beordert, der Auftrag ist katastrophal schief gegangen und für die Polizei muss es so aussehen, als hätte ich einen ihrer Leute auf dem Gewissen.«
»Einen Polizisten?«, stieß er hervor. Wieder schlingerte der Wagen ein wenig hin und her.
»Ja. Aber ich habe niemanden getötet, diesen Polizisten nicht und auch niemanden sonst. Das schwöre ich dir.« Sie sah ihn an. Ihr Blick war der eines verzweifelten, einsamen Mädchens, das ganz allein war. »Glaubst du mir, Simon?«
In ihrer Stimme lag ein solches Flehen, dass er praktisch gar nicht anders konnte als zu nicken. Und er glaubte ihr wirklich, glaubte alles, was sie sagte, weil er ihr glauben wollte.
»Gestern Nachmittag hat es im Windwood schon wieder zwei Morde gegeben«, flüsterte sie schließlich. »Wir haben davon nichts mitbekommen, weil wir … äh … beschäftigt waren.« Simon wurde tatsächlich rot. Nachdem Juli ins Strandhaus zurückgekehrt war, hatten sie das Bett für den Rest des Tages nicht mehr verlassen. »Es würde mich nicht wundern, wenn diese Geschichte heute mit diesen Morden zusammenhängt.«
»Wie kommst du darauf?«
»Mein Auftrag lautete, mich bei einer Firma namens DRM einzuschleichen. Die bauen ein Luxushotel auf der Halbinsel Devin. Dieser Richter, der letzte Woche umgebracht wurde, hatte irgendetwas mit diesem Unternehmen zu tun. Ich tippe darauf, dass die Russenmafia hinter all dem steckt.«
Simon sagte nichts, sichtlich damit beschäftigt, diese Neuigkeiten zu verdauen. Sie wusste, dass sie ihm einiges zumutete. Es war immer eine schwierige Entscheidung, wie viel Wahrheit man verwendete, um eine Lüge kunstvoll zu verpacken. Simon hatte keinen Grund, sie mit dem Windwood in Verbindung zu bringen. Gestern Nachmittag, hatte sie gesagt, und wer wusste besser als er, wo sie da gewesen war? Aber natürlich war diese Häufung von Todesfällen verdächtig. Indem sie selbst die Verknüpfung zwischen dem Windwood und dem Vorfall bei DRM herstellte, entstand gar nicht erst der Eindruck, sie habe etwas zu verbergen.
Das hoffte sie jedenfalls.
Sie brauchten knapp fünf Minuten bis Keding Village
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