Der Pakt - Rügen Thriller
Laurents und Erics zu rächen. Nach der Lieber-Sache jedoch wusste sie es, wusste es in einer apodiktischen Klarheit, die himmlisch und bestürzend zugleich war.
Und, was machst du beruflich?
Ich jage Menschen.
Nein, für Party-Small-Talk eignete sich ihr Job nicht. Aber sie hasste Partys sowieso. Bernhard Lieber war ihr Erweckungserlebnis gewesen. Nie zuvor hatte sie sich lebendiger gefühlt als in jenen Minuten in seiner Villa, als sie erstmals die Schattenwelt betreten hatte. Und sie war gut in dem, was sie tat, sehr gut sogar. Im Laufe der Jahre war sie in gewissen Kreisen zu so etwas wie einem Geheimtipp geworden.
Ich wüsste da einen Weg, dein Problem zu lösen. Nein, keine Fragen. Alles, was ich dir geben kann, ist eine E-Mail-Adresse.
Eine anonyme E-Mail-Adresse eines Anbieters aus Togo, um genau zu sein. Ermittlungsbehörden hatten keine Chance, an die Zugangsdaten zu gelangen. Von diesem Account wurde die Nachricht zu einer anderen Adresse geleitet und von dort zu einer dritten. Wenn Juli ins Internet ging, um ihre Mails abzurufen, nutzte sie einen Anonymisierungsdienst. Sollte sie jemals geschnappt werden, dann nicht wegen mangelnder Vorsicht.
Offiziell war sie eine IT-Beraterin mit internationaler Kundschaft und Sitz in München. Ihre Anschrift in der bayerischen Landeshauptstadt war die eines Büroservices, über den sie ihre Post abwickelte und theoretisch sogar telefonisch erreichbar war. Diese Legende verschaffte Juli eine perfekte Tarnung. Auf den Flughäfen in Berlin, Frankfurt und München verfügte sie über Schließfächer mit Pässen, Bargeld und Kleidungsstücken. Ihre auf eine Briefkastenfirma mit nichtssagendem Namen eingetragene Eigentumswohnung in Berlin-Mitte war mit modernster Überwachungstechnik ausgerüstet. Egal, wo sie sich gerade befand, wenn ihr Versteck betreten werden sollte, würde ihr Telefon klingeln. Eine Kamera zeichnete den unerwünschten Besuch auf, die Video-Datei wurde automatisch an Julis E-Mail-Postfach weitergeleitet.
Derartige Vorsichtsmaßnahmen kosteten natürlich Geld. Deshalb war es unerlässlich, demnächst wieder einen Auftrag anzu nehmen, der sich auch auf ihrem Konto bemerkbar machte. Gruber hatte lediglich mit einer Information bezahlt, allerdings mit einer, die ihr die unverhoffte Chance gab, sich endlich aus Kirijenkos Klauen zu befreien. Seit vier Jahren fraß sich die Erinnerung an die Ereignisse von Dresden wie ein Krebsgeschwür durch ihre Seele.
Nach ihrer Flucht hatte sie notgedrungen eine Art Waffenstillstand mit Kirijenko geschlossen. Er wusste, dass sie ihn jederzeit töten konnte, denn er war nicht bereit, unterzutauchen und damit sein prestigeträchtiges Amt am Obersten Gericht aufzugeben, mit dem natürlich eine gewisse Präsenz in der Öffentlichkeit einherging. Im Falle seines Ablebens, so hatte er ihr allerdings zu verstehen gegeben, würde die Beretta mitsamt Julis Fingerabdrücken bei der Dresdner Staatsanwaltschaft landen. Wenn sie jedoch auf ihre Rache verzichtete, würde es im Gegenzug keine weiteren Versuche geben, sie zu eliminieren. Und die in einem sicheren Versteck liegende Pistole bliebe auf ewig ihr gemeinsames Geheimnis.
Ein Waffenstillstand mit einem Klienten, der sie verraten hatte, war demütigender als die Misshandlungen der Erics und Laurents in Marseille. Dennoch ließ Juli Kirijenko in Ruhe, weil sie sicher war, dass er nicht bluffte. Doch Ende November hatte sie wie aus heiterem Himmel Grubers E-Mail erhalten. Sein Angebot änderte die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten. Dass nun ausgerechnet der scheinbar leichteste Teil ihres Plans, die Wiederbeschaffung der Waffe, zum Problem wurde, war überaus ärgerlich. Aber Grubers Anschlussauftrag hatte ihr ein neues Blatt in die Hand gegeben.
Eine zweite Chance.
Als es unvermittelt an die Tür klopfte, griff sie nach dem Pfefferspray. Sie wollte sich gerade vom Bett schwingen, da hörte sie Simons Stimme.
»Ich bin‘s«, rief er. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und herumgedreht. Schnell ließ sie die Spraydose wieder unter der Bettdecke verschwinden. Auf seinen Lippen lag ein stolzes Lächeln, als er ins Zimmer trat.
»So wie du aussiehst, hast du gute Nachrichten.« Sie stand auf.
»Auftrag ausgeführt.« Er salutierte spielerisch, knöpfte dann seinen Mantel auf und zog ihn aus. »Obwohl die Bullen tatsächlich noch dort waren.«
»Wurdest du angehalten?«
»Nein. Ich bin von hinten gekommen und habe den Wagen ge wendet, um in die
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