Der Pakt
der Presse. Hätte der Führer großmütiger sein können? Kein Wunder, dass Churchill nicht an den Verhandlungstisch gekommen war. Sobald der Krieg vorbei war, würde Churchill sicher aus dem Amt gejagt werden.
Mangelnden Realismus konnte man den Amerikanern zwar nicht vorwerfen, aber im Gegensatz zu den Russen ließen sie sich nicht mit Geld bestechen. Aber sie waren, wie der Führer gesagt hatte, bei ihrer eigenen Paranoia zu packen. »Sie fürchten den Bolschewismus mehr als uns«, hatte er Himmler in der Wolfsschanze erklärt. »Die größte Tat der Roten Armee war 501
nicht, dass sie die deutsche Wehrmacht besiegt, sondern dass sie damit die Amerikaner eingeschüchtert hat. Das müssen wir nutzen. Wenn sich die Amerikaner nicht bestechen lassen, müssen wir sie erpressen. Sie wissen natürlich von der Geheimwaffe, die wir in Peenemünde entwickelt haben. Warum hätten sie sonst im August mit der gesamten Bomberflotte einen Angriff fliegen sollen auf dieses Gebiet? Es wird Raffinesse erfordern, Himmler, denn ohne den Amerikanern genau zu sagen, was wir haben, müssen wir ihnen zu verstehen geben, dass wir, wenn Deutschland gezwungen sein sollte, einen Separatfrieden mit Russland zu schließen, nicht umhin könnten, den Russen unsere neuen Waffen zukommen zu lassen anstelle von Reparationen. Das werden die Amerikaner natürlich fürchten, denn bereits jetzt ist klar, dass es ihnen mehr um die Gestalt Europas nach dem Kriege geht als um die Besiegung Deutschlands.
Dieser Vergeltungswaffenfilm, den die Leute von Fieseler gemacht haben – davon müssen die Amerikaner eine Kopie zu sehen bekommen. Und für den Fall, dass sie es dann immer noch nicht glauben, werden wir uns darauf vorbereiten, am 28.
November, dem Tag der Konferenz, eine solche Waffe abzuschießen auf England. Natürlich nicht von der neuen Erprobungsstelle aus, sondern von Peenemünde. Das sollte ihnen klar machen, dass wir es ernst meinen. Aber schießen Sie die Rakete nicht auf London. Nein, nehmen Sie einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt. Den von Shipham bei Norwich vielleicht. Der ist groß. Eine V1 dort könnte eine ziemlich ernüchternde Wirkung haben, Himmler.«
Die V1 war zwar noch am selben Tag auf einer Abschussrampe in Peenemünde installiert, aber nie abgefeuert worden. Letztlich war das doch nicht nötig erschienen. Der amerikanische Militärgeheimdienst, inzwischen im Besitz von Filmmaterial über einen erfolgreichen V1-Testflug und einer Liste deutscher Raketenwissenschaftler, hatte Roosevelt klar 502
gemacht, dass die deutschen Raketengeheimnisse nach dem Krieg unbedingt in amerikanische und nicht in russische Hände fallen mussten. Der Präsident war also insgeheim längst bewogen worden, nicht auf deutschen Reparationszahlungen zu bestehen und auch von seiner Forderung nach freien und fairen Wahlen abzurücken.
Da die Amerikaner wie auch die Russen längst einen privaten Handel zu ihrem Vorteil geschlossen zu haben glaubten, sah Himmler, wenn keine Katastrophe passierte – Hitler einen jener Jähzornsanfälle bekam, die nun einmal in seinem Wesen lagen, oder Churchill Roosevelt doch noch dazu brachte, die Gespräche mit Hitler abzubrechen –, keinen Grund, warum die Verhandlungen scheitern sollten. Wenn es in Teheran zu einer Friedensvereinbarung kam, dann, da war sich Himmler sicher, würde er wegen seines Anteils an diesem diplomatischen Triumph einen glanzvolleren Platz in der deutschen Geschichte einnehmen als Bismarck.
11.00 UHR
Ich trank in kleinen Schlucken mein Wasser und versuchte, den Harndrang zu ignorieren.
Die Diskussion war jetzt auf Frankreich gekommen, ein Thema, das Hitler nicht ernsthaft zu erörtern bereit war. In keinem Fall hätten die Franzosen doch wohl ein Recht auf die Wiederherstellung ihres Kolonialreichs, argumentierte er. Und warum Roosevelt und Stalin geneigt sein sollten, Frankreich anders zu behandeln denn als Feind, wo doch die jetzige Regierung, außer dem Namen nach, in allem nationalsozialistisch sei und Deutschland aktiv unterstütze?
»Frankreich ist ja wohl kaum ein besetztes Land«, sagte Hitler.
»Im ganzen Land stehen keine fünfzigtausend deutschen Soldaten. Das ist weniger eine Besatzungsarmee als eine 503
Hilfspolizei, die den Willen der Vichy-Regierung umzusetzen hilft. Wissen Sie, was mich am meisten verblüfft an den Franzosen? Sie waren so eifrig bestrebt, sich auf jeden Stuhl zu setzen, dass sie sich neben alle Stühle gesetzt haben. Sie kämpfen für die
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