Der Paladin
einen Vogel, Fürst Kegi. Einen der Vögel des Kaisers...«
Der Taubenschlag, das Vogelhaus, der bäurische junge Kaiser, der seine Vögel jeden Morgen versorgte... höchstpersönlich.
»Fürst?«
»
Habt
Ihr einen der Vögel des Kaisers, Fürst Kegi?«
»Ja, Herr«, sagte Kegi.
»Und Schreibgerät?«
Natürlich hatte Kegi das. Die Notwendigkeit von Aufzeichnungen. Bogi'in hatte diesem Thema ein ganzes Kapitel seines Buches gewidmet.
Shoka rieb Jiros gewölbte Nase und bekam für seine sentimentale Anwandlung einen Stoß in die Rippen; doch es fiel ihm schwer, wegzugehen und sich vorzustellen – er schalt sich deswegen einen Narren –, daß das Pferd wußte, daß er es im Stich ließ, daß der alte Bursche es riechen und am Klang seiner Stimme erkennen konnte.
Rasch nahm er die Zügel eines Ersatzpferdes und schwang sich in den Sattel – als letzter ihres kleinen Trupps. Er wünschte den Männern, die er zurückließ, rasch noch Glück und setzte sich in der Dunkelheit des Waldes und der Nacht an die Spitze der Kolonne.
Abermals schalt er sich einen Narren, weil er sich so fern von allem fühlte, was er kannte, zu weit weg, um wieder dorthin zurückzukehren – zu verloren, um an sein Zuhause zu denken, zu sehr verändert, abgesehen von dieser Reiterin, die an seine Seite kam...
Ein Narr, weil er sie mitgenommen hatte, ein Narr, weil er sie nicht zurückschickte, sie anlog, ihr irgendeine Aufgabe übertrug, die sie lange genug beschäftigen würde – doch von den Zehnen, die er hatte, war sie diejenige, die er bei sich haben wollte, war sie die eine, die ihm nie in die Quere kommen, keinen falschen Schritt tun, niemals irgend etwas dem Zufall überlassen würde...
Nun waren sie also Söldner, schmutzig und abgezehrt und auf der Flucht vor der Katastrophe im Süden.
Und nicht zur Furt des Paigij bei Choedri ritten sie, sondern zu der Furt weiter im Osten, abseits des Weges – unerreichbar für Wagen und Händler, aber flußauf und flußab gab es überall am sandigen Paigij solche Stellen, die ganze Grenze zwischen Taiyi und Tengu war ein löchriges Sieb, das Ghitas Männer ebenso leicht nach Süden durchqueren konnten, wie sie nach Norden hindurchschlüpfen konnten.
Falls Ghita angriff – dann war Choedri nicht zu halten. Aber was Ghita dort suchen würde, wäre nicht dort.
Reidi hatte es begriffen. Er hatte es Reidi erklärt. Sieben Tage, hatte er gemeint.
Er hoffte, daß Reidi es begriffen hatte.
»Ghita?« hatte Taizu nur gefragt, ehe er auch nur ein Wort erklärt hatte, und er hatte gewußt, daß sie ahnte, was er vorhatte.
»Kein einziger Korb«, hatte er gesagt. »Söldner. Wir brauchen die Pferde.«Taizu hatte besonnen genickt und gesagt: »Und auch keine Schleifen.«
»Keine Schleifen«, hatte er ihr unwillkürlich erheitert beigepflichtet.
Wer dieser Unterhaltung zugehört hatte, mußte sie für verrückt halten.
Schwert, Bogen und das gewöhnliche heruntergekommene Aussehen angeheuerter Soldaten; Taizu flog das Haar lose um die Ohren, einen Teil hatte sie zu einem barbarischen Schopf hochgebunden, um den Hals trug sie Amulette, ihr Gesicht war dreckverschmiert, und über dem Panzer trug sie das schmierige Schafsfell eines Söldners – Teil der Beute, die sie an der Fähre gemacht hatten: auf den ersten Blick würde niemand unter diesem Haarwust eine Frau oder etwas anderes als einen drahtigen kleinen Halbwüchsigen in der Gesellschaft ebenso anrüchiger Männer vermuten.
Die Neun gehörten zu Fürst Reidis Männern, waren vertrauenswürdig und solide; und einer war Jian aus Choedri, den Kegi geschickt hatte: Er kennt den Weg, hatte Kegi gesagt.
Und den Göttern sei Dank kannte Jian, der am anderen Ufer des Paigij ein Mädchen hatte, die Schleichwege und führte sie wie versprochen zu den Untiefen mit festem Untergrund, wo das Wasser den Pferden schlimmstenfalls bis zum Bauch, meistens nur bis zum Sprunggelenk reichte und wo sie am anderen Ufer gemächlich zu einem Wildpfad hochklettern konnten, der in die Provinz Tengu hineinführte.
In der Marschordnung, die sie eingenommen hatten, ritten sie nicht geradewegs nach Norden, Richtung Lungan, sondern zur Fähre von Anogi, zwei Tagesritte flußabwärts am Hisei.
»Ich möchte dich was fragen«, sagte Shoka zu Taizu, als der Morgen anbrach und sie den Paigij bereits hinter sich gelassen hatten. »Da ich weiß, daß du nicht nach Choedri zurückkehren würdest – es gibt da einen Reitweg, der geradewegs nach Westen
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