Der Paladin
Er hatte nie versucht, wie ein Schweinebauer zu denken, der geschworen hatte, den Fürsten von Chiyaden zu töten. Aber er versuchte jetzt häufiger, so wie Taizu zu denken, und sie einmal zum Lächeln oder zum Lachen zu bringen, war schon schwer genug. Taizu...
Er hatte keine Ahnung, was sie tun würde. Er bezweifelte allerdings, daß es friedlich
oder
angenehm wäre.
Dieses närrische Mädchen. Dieses närrische Mädchen, das ihm ans Herz gewachsen war. Und nach neun Jahren Enthaltsamkeit...
Abermals seufzte er.
Man konnte meinen, daß es vor allem darauf ankam, ein Mädchen ins Bett zu kriegen. Aber das war eine Lüge. Den ganzen Winter über hatte er an die Möglichkeit gedacht, daß sie ihm auf der Stelle davonlaufen könnte, und dann hätte er sie zum Beispiel jetzt dort draußen nicht sehen können, niemals mehr; und die Vorstellung, seine Abendmahlzeiten in unaufhörlichem Schweigen einzunehmen, war unerträglich.
Je länger sie blieb, desto mehr gewöhnte sie sich an ihn. Je mehr sie sich an ihn gewöhnte...
Die Damen in Chiyaden hatten ihn sehr stattlich gefunden. Und bei den Göttern, er hatte das kleine Luder mit aller Zuvorkommenheit behandelt, die er ihr begreiflich machen konnte. Sieh sie dir an, dachte er – wie sie in einem der Hemden, die sie miteinander austauschten, durch den Matsch stapfte, barfuß und bis zu den Knien verdreckt: es war schon ein Wunder, daß sie keine Erfrierungen bekam. Aber sie war ja barfuß von Hua hierhergekommen, und die Stiefel, die er für sie angefertigt hatte, waren wahrscheinlich der erste Luxus, den ihre Füße kennengelernt hatten.
Schüler von vornehmer Herkunft mußten arbeiten, um ihre Hände und Füße abzuhärten. Taizu war abgehärtet; und vom Schwert hatte sie Schwielen an den Händen. Seide hätte sich daran durchgescheuert.
Aber, dachte er, bei Taizu war das in Ordnung. Eine wie sie gab es nur einmal.
Trotzdem versuchte man es weiter. Es war ein langwieriges Unterfangen. Beim Abendessen sagte er:
»Wir sollten wieder jagen gehen.« Die Überreste des Hirsches waren längst etwas für die Vögel und Opossums, und heute hatte er sie fortgebracht, um die Plagegeister von der Hütte fernzuhalten.
Sie nickte und blickte mit leuchtenden Augen über den Rand ihrer Schüssel.
»Die Damen in Chiyaden benutzen Stäbchen aus Elfenbein, weißt du. Sie nehmen kleinere Bissen. So.« Er zeigte es ihr.
Sie lachte ihn aus, Fältchen in den Augenwinkeln, als sei das alles nur eine Geschichte, wie die von den Schweinen mit den Rubinaugen.
»Sogar die Herren nehmen kleinere Bissen«, sagte er, denn er meinte, wenn sie schon ein Herr sein wollte, dann könnte sie wenigstens
etwas
von den höfischen Sitten übernehmen, »und sie benutzen Servietten anstelle ihrer Ärmel.«
Was
können die schon mit Rubinen anfangen?
war ihr Kommentar zu den Schweinen gewesen. Taizu kam immer gleich zum Kern der Sache. Und sie wartete immer noch auf eine Geschichte. Das sah er ihr an.
»Weißt du eigentlich, wer die Eßstäbchen erfunden hat?«
»Nein.«
»Eine gierige Frau, die nicht so lange warten wollte, bis der Reis abgekühlt war. Sie wollte sich die Finger nicht verbrennen.«
Sie schaute ihn neugierig an. »Aus welcher Provinz kam sie?«
»Wahrscheinlich aus Hua.«
»Das stimmt nicht«, sagte sie bestimmt, als ob sie es sonst gewußt hätte.
Er unterdrückte ein Lachen, während er sich den Mund vollstopfte, und sagte: »Na ja, vielleicht war sie ja auch aus Yiungei.«
Taizu sagte: »Habt Ihr schon gehört, wie der Hund in den Mond kam?«
»Ich wußte gar nicht, daß
es
im Mond einen Hund gibt.«
»Natürlich gibt es einen. Man kann ihn sehen.« Sie beugte sich vor und zeigte darauf.
»Das ist eine alte Frau.«
»Dieselbe, die die Eßstäbchen erfunden hat?«
»Wahrscheinlich.«
»Er hat der alten Frau das Abendessen gestohlen, und sie hat ihn mit ihrem Stock gejagt. So ist er dorthin gekommen. Der Hund ist sehr hungrig. Jeden Monat magert er bis aufs Skelett ab, aber die Götter haben jedesmal Mitleid mit ihm und füttern ihn, darum bleibt er immer da.«
Das war eine optimistische Geschichte. Er lachte.
»Ich habe gehört, in der Provinz Kiang sei es ein Kaninchen. Es ist dort hinaufgesprungen.«
»Warum?«
»Wahrscheinlich, weil der Hund es gejagt hat.«
Sie sah ihn merkwürdig an.
»Ich schwör's«, sagte er. »Das habe ich jedenfalls gehört.«
So sollte es immer sein, dachte er. Sie sollte immer hier sein. Jeden Abend. Für alle Zeit.
»Ich
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