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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Vielleicht war sie froh, daß er mit ihr kam. Vielleicht auch nicht. Vielleicht wußte sie, daß sie eine Närrin war. Vielleicht war er ein älterer, weiserer Ratgeber, als sie wahrhaben wollte.
    Vielleicht hatte sie ihn liebgewonnen, und er war mehr als nur ein alter Mann für sie, ein Ersatz dafür, was sie verloren oder sich in ihren Jungmädchenträumen vorgestellt hatte.
    Man wurde älter. Man wurde es müde, sich zu sehr einzulassen. Man wurde weiser und endete schließlich auf einem verdammten Berg, wo man womöglich einsam starb.
    Es gab viel schlimmere Dinge, als einem närrischen Mädchen nach Hua zu folgen. Gewiß, es konnte ein schreckliches Ende nehmen; aber so ging es eben zu im Leben; das Frühjahrskaninchen endete als dunkler Flecken im Schnee, aber die Welt scherte sich nicht darum, und das Kaninchen konnte sich auch nicht mehr erinnern.

10
    Er hatte nicht erwartet, daß am Morgen irgend etwas anders sein würde, er hatte lange genug mit Taizu zusammengelebt, um es besser zu wissen: Bei Taizu war alles wie immer. Sie stand auf und weckte ihn mit ihren Bewegungen, sie sagte, sie werde sich waschen gehen, alles so sachlich, als wäre nichts geschehen.
    Er packte sie beim Handgelenk. »Und?«
    »Und?« erwiderte sie in besorgtem Ton. Sie hob sich als Schatten vom Licht ab, das unter der Tür hindurchsickerte und durch die Ritzen der Fensterläden drang.
    »War es gut?« fragte er sie.
    Eine Bewegung mit dem Kopf, die er nicht zu deuten vermochte.
Ja
, dachte er.
    »Bekomme ich keine Antwort?« fragte er.
    Sie nahm seine Hand, die ihr Handgelenk gepackt hielt, und löste seine Finger. Dann hielt sie seine Hand mit beiden Händen.
    Im Lauf der Nacht hatten sie sich noch einmal geliebt. Er war sich nicht sicher, wer damit angefangen hatte. Vielleicht sie. Er hatte jedenfalls keinen besonderen Anlaß gebraucht, ob sie nun zu ihm gerückt war oder nicht, und diesmal hatte er es langsamer angehen lassen, um ihr die Befriedigung zu schenken, die ihr beim erstenmal entgangen war. Hinterher war er wieder eingeschlafen, bis sie sich bewegt und ihn im Morgengrauen aufgeweckt hatte.
    Sie antwortete ihm auch jetzt nicht, nur der Druck ihrer Hände verstärkte sich.
    Vielleicht war das Antwort genug – nicht das oberflächliche 'Gewiß, mein Herr' einer Kurtisane. Taizu dachte tagelang nach, ehe sie den Mund öffnete. Er konnte sich die Denkfalte auf ihrer Stirn und den fest zusammengepreßten Mund gut vorstellen. Dann löste sie sich von ihm, hob auf dem Weg zur Tür ihre Sachen auf und floh ins helle Tageslicht hinaus.
     
    Und so setzte Shoka sich in der morgendlichen Kühle auf die Veranda. Die polierte Bronzeschale war am Pfosten aufgehängt; er hatte eine Schüssel warmen Wassers vor sich und schabte sich behutsam die Stoppeln vom Kinn. Das tat er fast jeden Tag, wenn er dazu kam. Doch diesmal hatte er seinen Haarschopf, der noch so schwarz und dicht war wie der irgendeines Jüngeren, am Scheitel hochgebunden, so daß ihm der Rest auf den Rücken hing. Sein Gesicht war vom Wetter gegerbt, um die Augen und an den Mundwinkeln hatten sich Runzeln eingegraben; vor allem jedoch bemerkte er eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem gewissen jüngeren Mann, und er dachte:
Hast du eigentlich gar nichts dazugelernt?
    Er wurde gerade fertig, als Taizu vom Baden den Hang heraufkam – aus irgendwelchen Gründen zog sie den Bach immer noch vor; ihm jedoch war die Regentonne lieber, weil ihm hinterher der kalte Spaziergang erspart blieb. Als sie seine alte Erscheinung dort sitzen sah, blieb sie stehen und schaute ihn mit großen Augen an, während sie das nasse Hemd gegen den Körper preßte.
    Er schüttelte das Wasser vom Rasiermesser und trocknete es ab, geschmeichelt und erfreut und alles in allem auch ein wenig bedauernd ob dieses Blicks, der eine Leere in ihm füllte, von der er gar nichts gewußt hatte: Verdammter Unsinn, dachte er im selben Moment, denn es war nicht Shoka, den sie sah. Es war Saukendar, der Narr. Als den alle Welt ihn kannte.
    Sie jedoch wirkte nicht erfreut.
    Was in aller Welt ist jetzt wieder los?
dachte er und erstarrte, von plötzlicher Furcht erfüllt, obwohl er die Antwort nicht kannte.
    Sie hat Angst, dachte er.
    Wovor? Vor Adligen?
Dazu hatte sie auch allen Grund.
    »Hast du was?« fragte er.
    »Nein, Meister.«
    »Meister, verdammt! Edler Herr, wenn du unbedingt willst. Oder Shoka.« Er legte sich die Hand mit dem Rasiermesser aufs Knie. »Was letzte Nacht angeht...«
    »Mir ist kalt. Ich

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