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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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bekundete Jiro mit einem Tritt gegen die Stallwand seine Ungeduld.
    »Du bist verflucht hübsch«, sagte er und berührte die Narbe auf ihrem Gesicht. »Trag sie wie ein Banner, Mädchen. Wie eine Herausforderung. Du hast es überlebt. Du bist etwas Besonderes. Hast du gehört?«
    Wumm
, vom Stall.
    Taizu biß sich auf die Lippen. Nicht wütend, o nein! Sondern aufmerksam.
    »Du bist meine Schülerin«, sagte er. »Daß du mir keine Schande machst! Ich vertraue auf dich.«
    »Dann bleibt hier!«
    »Hm, das bedeutet keinen Mangel an Vertrauen. Meinst du nicht, daß die ganze Provinz Hua ein bißchen viel für ein Mädchen ist? Du brauchst zumindest jemanden, der dir den Rücken frei hält.«
    »Ihr macht Euch über mich lustig.«
    »Nein. Ich bin fest entschlossen, dich lebend wieder zurückzubringen. Das bedeutet mir sehr viel. Du hast versprochen, daß du bei deiner Rückkehr meine Frau wirst.«
    »Ich...!«
    »Ich finde das ausgesprochen vernünftig. Sieh dir nur an, was ich dir alles bieten kann. Ein schönes Haus. Einen ganzen Berg, um darauf zu jagen. Gute Gesellschaft. Willst du wirklich nach Hua gehen?«
    »Ich weiß, was Ihr vorhabt. Ihr wollt den ganzen Weg nach Hua über mit mir streiten. Und im letzten Moment werdet Ihr eingreifen und Gitu töten. Und das werde ich Euch nie verzeihen.«
    Wumm.
    Wumm.
    »Das liegt nicht in meiner Absicht. Ich werde dich ein bißchen beraten. Ich glaube, das ist nur...«
    Wumm.
    »...vernünftig. Du kannst Gitu haben. Um einen solchen Preis werde ich nicht mit dir wetteifern. Sind wir soweit?«
     
    Shoka, der Jiro führte, sah sich nicht um. Er wußte auch so, was er gesehen hätte: Heimat, bloß leer und tot – und ein solcher Anblick bot keinen Trost. Taizu jedoch blickte zurück. Zumindest war es ihr nicht gleichgültig.
    Beim Abstieg legte Jiro die Ohren an und verdrehte die Augen, bis das Weiße sichtbar war. Sie kamen nur ruckweise voran. Jiro pflanzte seine Füße auf den schmalen Weg und beäugte die nächste steile, wurzelüberwachsene Kehre; ein kurzes Vorwärtsstürmen, bis Jiro wiederum auf dem nächsten ebenen Flecken vernarrte und den nächsten Steilhang mißtrauisch begutachtet.
    Der Aufstieg war Shoka weniger schlimm vorgekommen. Oder er hatte damals weniger wahrgenommen – als er hierhergekommen war, sich für einen bestimmten Berg entschieden und ein erheblich jüngeres Pferd hinaufgeführt hatte. Er fühlte sich erleichtert, als Jiro endlich wieder ebenen Boden unter den Füßen hatte, ohne sich die Beine gebrochen zu haben, und dessen eingedenk ließ er den alten Burschen ein wenig verschnaufen und ging neben ihm unter den grünen Blättern her, bis die Bäume auseinanderrückten und sie zu den Feldern gelangten.
    »Gehen wir durchs Dorf?« fragte Taizu.
    Darüber hatte er unterwegs nachgedacht, hatte überlegt, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, daß ein Mann und ein Mädchen in Rüstungen nach Hua gelangten, ohne während dieser Wochen gesehen zu werden. Darüber hatte er sich seit dem Augenblick Sorgen gemacht, da ihm klargeworden war, daß er den Berg würde verlassen müssen – über dies und andere Dinge.
    Vielleicht war er den Dorfbewohnern in Wirklichkeit gar nichts schuldig. So hatte er es auch nie betrachtet: Sie versorgten ihn im Austausch gegen gute Felle mit Nahrung, sie profitierten voneinander.
    Dennoch mußte er immer wieder an den Jungen denken, der die Felle geholt hatte, und an die Frauen, die ihm Eingemachtes schickten, und an die Bauern, die den Reis anbauten. Und der Gedanke daran, was sie oder die Banditen unternehmen würden, wenn sich die Nachricht von seinem Verschwinden erst einmal verbreitet hatte, bedrückte ihn.
    »Wir gehen durchs Dorf«, sagte er, hielt an und befreite Jiros Sattel von dem Gepäck, das sie quer darübergelegt hatten. »Für dich.« Er reichte ihr die zusammengerollten Matten und das Schlafzeug, die Bogen und Köcher; die restlichen Packen, die nicht mehr in Jiros Satteltaschen gepaßt hatten, band er hinter dem Sattel fest. Dann saß er auf.
    Das war schon Anlaß genug, daß die Bauern von den Feldern und die Leute aus den Häusern gerannt kamen – sicherlich der seltsamste Anblick, der ihnen auf der einzigen staubigen Straße bislang zuteil geworden war: ein Edelmann in einer verblichenen Rüstung auf einem graunasigen Pferd, mit einem ungewöhnlich kleinen und überladenen Gefolgsmann. Anfangs schienen sie ihn gar nicht zu erkennen, oder er hatte sich in den zehn Jahren stärker verändert, als er

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