Der Paladin
gedacht hatte; doch dann sagte jemand in der Menge: »Das ist Meister Saukendar!«, und das ganze Dorf umringte sie, machte Jiro nervös und drängte Taizu gegen den Steigbügel.
Anfangs kam nur das junge Volk. Aber auch die Dorfältesten kamen heraus und verneigten sich, und Shoka verneigte sich im Sattel.
Sind die Banditen da?
hörte er in der Menge fragen. »Kommen die Banditen?«
Er fühlte sich schuldig.
»Was führt Euch zu uns, Herr?« fragte der Dorfälteste mit einer Stimme wie das Rascheln des Windes im Schilf. »Was können wir für Euch tun?«
»Ehrwürdiger«, sagte er, sich abermals verneigend, »das ist meine Frau. Ihr Name ist Taizu.«
Gemurmel und Verbeugungen. Taizus Gesicht sah er nicht. Wahrscheinlich war es auch besser so. Er stellte sich ihre finstere Miene vor, dazu angetan, dem Teufel das Fürchten zu lehren. Sie verhielt sich jedoch ruhig, während die Dorfweiber sie mit großen Augen anstarrten und sich das ganze Dorf in höflich gedämpftem Ton und nicht ohne Besorgnis fragte, wo Meister Saukendar seine Frau bloß herbekommen hatte und was für eine Frau das wohl sein mochte.
Zweifellos betrachteten sie Taizus Hände eingehend, um zu sehen, wie die Daumen angeordnet waren. Und wenn Taizus Miene seinen Vorstellungen entsprach, würde sie ihnen ebenfalls kein Vertrauen einflößen, so wie sie in ihren Stiefeln dastand, das Schwert verkehrt herum in beiden Händen haltend.
Die Ältesten und die übrigen Dorfbewohner verneigten sich tief vor ihnen.
»Wir haben gar nicht gewußt...«, stotterte der Dorfälteste.
Beinahe hätte er erwidert:
Ihr kennt sie. Sie war der
Junge, der vor zwei Jahren ins Dorf kam.
Klugerweise hielt er seine Zunge jedoch im Zaum – selbst auf die Gefahr hin, pietätlos zu erscheinen.
»Meine Frau wünscht ihre Heimat wiederzusehen«, sagte er. »Darum gehe ich für eine Weile fort.« Er vernahm das entsetzte Gemurmel und bahnte sich rasch einen Weg durch die Menge. »Ich habe etwas zu erledigen. Darum bin ich gekommen, Euch meine Aufwartung zu machen und mich für Eure Freundlichkeit zu bedanken...«
Die Ältesten verneigten sich. Die übrigen Dorfbewohner desgleichen, ein Nicken und Wispern wie Wind in einem Kornfeld.
»Aber wer wird jetzt die Banditen fernhalten?« fragte ein Ältester, worauf andere in die Frage einstimmten, ein Chor flehender Stimmen.
»Ruhe!« rief der Dorfälteste und stieß mit dem Stock auf den Boden. »Ruhe!«
Es dauerte eine Weile. Sie waren außer sich. Sie fürchteten sich und warfen Taizu Blicke zu, in denen sich Neugier mit Groll mischte, und die Unruhe übertrug sich auf Jiro, er stampfte und mahlte auf dem Gebiß; Shoka zog die Zügel straff, aus Angst, das Pferd könne jemanden beißen – doch niemand wagte sich so nahe an ihn heran.
»Verzeiht«, sagte der Älteste und verneigte sich, »verzeiht, edler Herr, edle Dame, aber wer wird uns nun beschützen? Sobald Ihr weg seid, edler Herr, werden sie sich auf uns stürzen. Sie wissen, daß wir wohlhabend sind, sie wissen, daß wir eine gute Ernte einführen...« Aus dem Tonfall des alten Mannes sprach Panik. Bleiche Gesichter umringten sie, geweitete Augen und ein Flüstern abgrundtiefer Verzweiflung. »Bleibt bei uns!« jammerten die Leute.
»Schweigt!« rief Shoka, und jedermann verstummte, abgesehen von den Kindern, die zu weinen angefangen hatten. »Hört mir zu. Ihr seid wohlgenährt, wohlhabend, und ihr seid den Banditen, die bisher nicht den Mut hatten, euch anzugreifen, zahlenmäßig überlegen. Ich bin sicher, daß ihr in zehn Jahren nicht verlernt habt, wie man mit dem Bogen und dem Stock umgeht. Wenn von euch jemand zur Hütte hinaufsteigen und etwas mitnehmen will – ich habe nichts dagegen; den Durchreisenden würde ich erzählen, daß die Dämonen zwar keinem aus dem Dorf etwas tun, daß sonst aber keiner hinaufgehen sollte. Dort leben furchtbare Wesen. Ihr habt sie im Gebirge heulen gehört, Dämonen mit Augen wie Lampen und Fingern wie Eis. Doch das Dorf ist vor ihnen sicher. Es steht unter einem besonderen Schutz, und jeder, der etwas aus diesem Dorf stiehlt, und jeder, der dem Dorf irgendeinen Schaden zufügt, wird seines Lebens nicht mehr sicher sein. Meine Frau und ich werden zurückkommen und ihn aufspüren. Habt ihr gehört?«
Die Leute rissen die Augen auf. Sie verneigten sich, bleich im Gesicht, und die Mütter hielten den Kindern die Hand vor den Mund.
»Erzählt das jedem Durchreisenden«, sagte er. »Sorgt dafür, daß sie die Nachricht
Weitere Kostenlose Bücher