Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
»Damals gab es diese Leute noch nicht«, sagte er zu Taizu, zwei Söldner im Elendsviertel der Stadt; und Menschen drängten sich unter geflochtenen Veranden um ihre Feuerstellen, unterbrachen ihre Mahlzeit und starrten sie mit leeren, kummervollen Augen an. Die Kinder liefen ihnen nicht nach, es
gab
keine Kinder, abgesehen von einigen wenigen, die dicht bei ihren Eltern saßen. Es gab nur ein zudringliches Rudel Hunde, und diese sahen verhungert aus und jagten kläffend den Pferden nach, jedoch nicht weit.
    Die meisten Leute wirkten niedergedrückt und verängstigt.
    »Sie haben Angst vor uns«, sagte Taizu leise. »Wir sehen aus wie Soldaten.«
    Die Häuser waren so behelfsmäßig gebaut, daß ein starker Wind sie zum Einsturz bringen würde. Die Straße war voller Schlaglöcher, an manchen Stellen bestand sie aus getrocknetem Schlamm, anderswo war sie ein stinkender Morast, die Götter allein wußten, welcher Verkehr sich sonst darauf bewegte. Und ständig die Blicke, dieses verzweifelte, mißtrauische Starren.
    Was stimmt hier nicht? Woher kommen all diese Leute?
    Was ist hier geschehen?
    Wir sehen aus wie Soldaten.
Was, zum Teufel, soll das heißen?
    »Hier bleibt uns nicht viel Platz zum Lagern«, sagte er, als er über die Deiche und Reisfelder jenseits der Stadt blickte. Kein Problem für einen Jungen zu Fuß – jedoch allzu auffällig für einen Edelmann, seinen Gefolgsmann und zwei Pferde.
    »Wir würden die Bauern erschrecken«, meinte Taizu. »Söldner.«
    »So wie wir die Leute in der Stadt erschreckt haben«, sagte Shoka, als sie in der Dämmerung über eine weitere Brücke ritten. »Am liebsten wäre mir, das läge schon hinter uns und wir wären wieder weit draußen auf dem Land.«
    »Auf der Straße ist es sicherer. Bleibt mit dem Pferd von den Deichen weg, wenn wir rasten wollen.«
    Sackgassen. Ein Labyrinth von Sackgassen. Das brauchte der Bauer dem Soldaten nicht eigens zu sagen.
    Und so landeten sie nach Einbruch der Dunkelheit in einem Maulbeerwäldchen, das an einem Plantagenweg ein wenig zurückgesetzt von der Straße lag, und bereiteten sich ein Lager unter den Bäumen, wo niemand sie sehen konnte. Der Himmel hatte sich gegen Abend bewölkt, ein bleiernes Grau, das selbst die Farben des Sonnenuntergangs erstickte, bis es erst einem zinnernen Zwielicht und dann einer sternenlosen Dunkelheit wich.
    Und mit der Aussicht, naß zu werden, teilten sie sich zum Abendessen Reisbällchen und Wurst und ein wenig Tee, den sie an einem kleinen Feuer aus gestohlenen Maulbeerblättern und Zweigen bereiteten.
    »Warum hatten sie Angst?« fragte Shoka irgendwann im trüben Licht des Feuers.
    »Sie hatten Angst vor
Soldaten
«, meinte Taizu, als spräche sie eine simple Wahrheit aus und er sei schwer von Begriff.
    »Vor Soldaten.«
    »Vor dem Kaiser.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du hast hier einen Mann vor dir, der über zwanzig war, als du geboren wurdest, Mädchen. Wer war denn im Exil, als du noch kaum etwas wußtest von der Welt? Zu meiner Zeit hatte man keine Angst vor Soldaten. Jedenfalls nicht in Städten und Dörfern, obwohl es in den Lagern schon mal hoch herging – das war schon immer so. Aber man hatte keine Angst vor ihnen.«
    »Die Soldaten machen, was sie wollen. Und die Söldner. Sie haben Papiere vom Kaiser. Sie sind das Gesetz...«
    »Das Gesetz, meine Zuflucht. Die
Gerichte
sind das Gesetz. Der
Kaiser
heuert keine Söldner an...«
    »Die
Fürsten
sind das Gesetz.«
    »Auf ihrem Gebiet, ja. Die Stadtsteuern gehen an den Kaiser, die Streitfälle gehen an die...«
    »...Richter des Kaisers. Aber wenn Ihr kein Geld mehr habt, könnt Ihr die Abgaben nicht mehr zahlen und man nimmt Euch die Schweine weg; oder Euer Haus; oder vielleicht ist den kaiserlichen Soldaten auch danach, Euer Haus einzureißen und Euch zu töten. Niemand wird sagen, wer das war, niemand wird sich die Mühe machen, herauszufinden, wer das getan hat, wenn Ihr nicht irgendeinem Fürsten gehört –
er
wird wütend werden und vors Gericht gehen, aber Ihr geht nicht vors Gericht, weil Ihr kein Geld habt...«
    Er hörte zu. Was sie da beschrieb, war nicht das Land, das er verlassen hatte. Doch es schien einleuchtend, wenn der Kaiser ein verdammter Narr war.
    »...weil nämlich dieser Richter entweder unehrlich ist oder Geld nimmt, oder er weiß, was mit
seinem
Haus passieren könnte, wenn er sich mit den Soldaten anlegt. Genau so ist es hier draußen auf dem Land. So ist das Gesetz. Und wenn Ihr ein Bauer seid und jemanden

Weitere Kostenlose Bücher