Der Paladin
Augenrollen und Tänzeln seitens des Hengstes und der Stute. »Paß auf!«
»Männer«, sagte Taizu. Ihre Stimme zitterte. Ein Beben, wie es einem Kampf vorausging. Ihre Augen leuchteten. Die Zügel hielt sie ständig unter leichter Spannung, während die Stute immer wieder auszubrechen versuchte und sie auf die Probe stellte, mit dem Hengst an ihrer Seite flirtete, um herauszufinden, daß ihr Reiter auf jede ihrer Bewegungen einging.
Jiro seinerseits war höchst glücklich.
Glücklicher, als ich von mir behaupten kann
, dachte Shoka mürrisch und erinnerte sich an den Richter, verflucht möge er sein, der ihn rundheraus gefragt hatte, ob er in seine Dienste eintreten wolle, wo er gedient habe, in wessen Dienst er stünde...
Sengi, mein Herr, nein, aber mein Vater war aus Tengu, nun, wir haben unser Land verloren, Herr. Keinerlei Aussichten. Ich reite zurück nach Choedri, nach Norden, und hoffe, daß mich dort jemand anstellt. Vielleicht klappt es da. Wenn es sein muß, gehe ich nach Cheng'di. Ihr wißt nicht zufällig, wie dort die Aussichten für mich sind?
Verdammt gespenstisch, dachte er, verdammt gespenstisch, wie ihn der alte Mann angesehen und gesagt hatte:
Ich bezweifle nicht, daß Ihr dort eine Anstellung finden werdet. Woher kommt Ihr?
Ich war Karawanenwächter, Herr. Aber ich hatte genug von der Fremde. Ich will nach Hause. Ich glaube nicht –
daß sich dort in den letzten Jahren viel verändert hat...
Nein.
Wieder dieser merkwürdige Blick. Und:
Ich will Euch eine Stute zeigen, die Ihr noch nicht gesehen habt...
Von der Anhöhe wieder zum Fluß hinunter. Der ganze Pferdehandel hatte dreimal soviel Zeit erfordert, wie er gedacht hatte, und als sie zur Brücke gelangten, dämmerte es bereits. »Ich möchte in Ygotai nicht anhalten«, hatte Shoka vor dem Erwerb des Pferdes gesagt, und nun blickte er sich über die Schulter um und spürte ein immer stärker werdendes Prickeln im Nacken. Den Göttern sei Dank folgte ihnen immer noch niemand.
»Was beunruhigt Euch?«
»Ein neugieriger alter Mann.«
»Der Richter? Glaubt Ihr, er hat Euch erkannt?«
»Ich weiß nicht.«
»Was hat er denn
getan
?«
»Fragen gestellt. Zu viele Fragen. Und wie geht es
dir
? Können wir weiterreiten?«
»Meinetwegen können wir die ganze Nacht lang reiten, es sind ja nicht meine Beine. – Was für Fragen?«
»Wer ich sei, woher ich käme. Mein Name ist Sengi. Ich bin Karawanenwächter. Ein Hauptmann der Karawanenwächter. Ich war einmal ein Edelmann, du bist meine Frau, der Kaufvertrag ist gültig. Wir bleiben bei dieser Geschichte.«
»Ich habe Euch doch gesagt, daß wir uns nicht mit einem Richter einlassen sollten! Die stellen immer Fragen! Er hätte Euch erkennen können!«
»Dorfrichter kommen nicht zum Hof. Ich bin diesem Mann nie begegnet!«
»Vielleicht war er nicht immer ein Dorfrichter.«
»Kann schon sein.«
»Oder vielleicht...« Die Stute tänzelte ein paar Schritte seitwärts, und Taizu brachte sie zurück. »Vielleicht hat man beobachtet, ob Ihr den Berg verlaßt.«
»All die Jahre über? Das ist verrückt.« Er blickte sich wieder um und bedauerte mehr und mehr, das auffällige Pferd dabei zu haben. »Ich bin ein Idiot. Ich hätte das verdammte Pferd nicht nehmen sollen.«
Auffällig gezeichnet,
hatte der alte Mann gesagt.
Aber betrachtet mal ihre Linien, nicht die Zeichnung. Ich kann sie nicht für den Preis verkaufen, den sie eigentlich einbringen müßte. Kein Edelmann wie Ihr würde ein so... ungewöhnliches Pferd reiten wollen, und ich möchte vermeiden, daß sich diese Zeichnung weitervererbt... Doch für Eure Zwecke... für den Gefolgsmann eines Edelmanns...
»Gewöhn dich nicht an die Stute. Wir können sie unterwegs irgendwo verkaufen. Bis dahin machen wir Gebrauch von ihren guten Beinen, um eine gute Strecke hinter uns zu bringen.«
»Einverstanden«, sagte sie und blickte sich um.
»Ihr
macht das nichts aus. Wegen Jiro mache ich mir Sorgen...«
»Wir alten Männer kommen schon zurecht, Mädchen.« Er gab Jiro die Hacken, und Jiro fiel die Entscheidung leicht, zu laufen, wenn es die Stute tat. Und umgekehrt.
Um Ygotai führte ein verschlungener Weg herum, hinweg über Erhebungen und Deichstraßen, entlang zwischen ein paar schäbigen Gebäuden am Stadtrand – eine Stadt von einigen tausend Seelen, wie Shoka von der Volkszählung des Kaisers her noch wußte; an das Ausmaß der baufälligen Gebäude konnte er sich jedoch nicht erinnern, und die Armut erschütterte ihn.
Weitere Kostenlose Bücher