Der Palast
in denen es eine Geburtshelferin geben könnte.«
Reiko verlor jede Hoffnung, denn diese Information legte den Schluss nahe, dass sie weit von allen Menschen entfernt waren, die sie retten könnten. »Wärt Ihr wenigstens einverstanden, dass wir eine bessere Unterkunft bekommen?«, fragte Reiko leise. Mehr Bequemlichkeit würde Midori ein wenig helfen, und wenn Reiko das Gefängnis im Turm gegen ein Quartier im Palast tauschen könnte, wäre eine Flucht vielleicht einfacher. »Durch das Dach des Turms regnet es hinein. Nachts ist es sehr kalt und tagsüber drückend heiß.« Reiko blickte den Drachenkönig unter ihren demütig gesenkten Augenlidern an und fuhr in schmeichelndem Ton fort: »Diese kleine Bitte werdet Ihr mir doch nicht abschlagen?«
Der Drachenkönig schüttelte seinen großen Kopf. »Tut mir Leid, aber ich kann Euch den Wunsch nicht erfüllen. Im Turm können Gefangene am besten bewacht werden. Ihr und Eure Freundinnen seid dort sicher.«
Reiko wusste nicht mehr ein noch aus. Ihre Listen hatten bisher einzig und allein dazu geführt, die Liebe des Drachenkönigs zu ihr zu entfachen. War ihr Plan zum Scheitern verurteilt? Würde es ihr keinen Nutzen bringen, wenn sie ihr Leben ruinierte?
Plötzlich hatte sie eine Idee.
»Es gibt da etwas, das ich Euch sagen muss …«, murmelte sie und winkte den Drachenkönig mit dem Finger zu sich heran. Ihr Lächeln versprach intime Enthüllungen. Sie kam sich vor wie eine Kurtisane aus Yoshiwara, die um Kunden warb. »Rückt ein Stückchen näher zu mir und hört mir zu.«
Der Drachenkönig tat wie geheißen. Reiko wusste, dass Ota und die anderen Wachen lauschten, und sprach deshalb mit leiser Stimme. »Ihr seid von Feinden umgeben. Sie sind hier auf der Insel, in den Reihen Eurer eigenen Männer!«
Der Drachenkönig blickte sie verwundert an.
»Sie billigen Eure Beziehung zu mir nicht«, wisperte Reiko. »Sie sind eifersüchtig. Sie wollen uns trennen. Letzte Nacht habe ich ihre Gespräche belauscht. Sie haben vor, mich zu töten.«
»Das kann nicht sein. Meine Männer haben den Befehl, Euch und Euren Freundinnen ohne meine Erlaubnis nichts anzutun«, erwiderte der Drachenkönig. Doch sein argwöhnischer Blick, mit dem er Reiko musterte, offenbarte auch seine Bestürzung.
»Es ist die Wahrheit«, sagte Reiko rasch, um die leisen Zweifel am Gehorsam seiner Männer zu nähren und die Angst vor einem Treuebruch zu schüren. »Sie werden mich töten, meinen Leichnam in den See werfen und behaupten, ich hätte zu fliehen versucht.«
Der Drachenkönig runzelte die Stirn. »Ota und meine anderen Gefolgsleute würden sich niemals meinen Befehlen widersetzen. Die anderen allerdings …« Er strich nachdenklich übers Kinn. »Vielleicht hätte ich nicht auf Männer ihres Schlages zurückgreifen sollen. Ich habe diesen Burschen niemals voll vertraut.«
Reiko war froh, Misstrauen gesät zu haben, das die Meinung des Drachenkönigs über seine Gefolgsleute vergiften würde. »Ich will nicht sterben«, sagte sie, und ehrliche Tränen der Verzweiflung traten ihr in die Augen. »Bitte, Ihr müsst mich beschützen!«
»Ja, das muss ich!«, sagte er entschlossen.
Ermutigt fuhr Reiko fort: »Dann haltet Eure Männer bitte fern von mir und meinen Freundinnen.« Wenn sie sich der Wachposten entledigen könnte, würde es die Chance zur Flucht sehr verbessern. »Setzt die Männer dort ein, wo sie uns nichts antun können.«
»Ich kann Euch nicht unbewacht lassen«, sagte der Drachenkönig, der trotz seiner Lüsternheit und der Angst vor Verrat noch klar denken konnte.
»Ich verspreche Euch, dass ich nicht davonlaufen werde«, beteuerte Reiko. »Jetzt, da wir einander endlich wiedergefunden haben, könnte ich es nicht ertragen, Euch zu verlassen.«
»Selbst wenn Ihr bleibt, werden Eure Freundinnen fliehen.«
»Sie haben viel zu große Angst, es ohne mich zu versuchen«, sagte Reiko. »Ihr könntet uns irgendwo unterbringen, wo Ihr uns persönlich bewacht.«
Reiko konnte zwar den Drachenkönig ein wenig beeinflussen, die Wachen jedoch nicht. Die Chancen, einen Verrückten zu überlisten, überwogen die Chance, sich einen Weg an seinem Heer vorbei zu erzwingen. Jeder Ort, an dem der Drachenkönig die Frauen unterbringen würde, wäre weniger sicher als der Turm und würde wahrscheinlich näher an den Booten liegen.
Der Drachenkönig dachte mit finsterer Miene nach, ob die Gefahr für Reiko – und Anemone – es erforderlich machte, sie woanders unterzubringen. Reiko
Weitere Kostenlose Bücher