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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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hasste. Zwischen beiden Männern bestand eine lange, tiefe Feindschaft. Das erste Mal waren sie bei den Ermittlungen in einem Mordfall in Miyako aneinander geraten, wo Hoshina der Geliebte Yanagisawas geworden war; nach Abschluss des Falles hatte er Hoshina mit nach Edo genommen und ihn zum neuen Polizeikommandeur der Stadt ernannt. Seitdem betrachtete Hoshina Sano als Rivalen und versuchte immer wieder, sich als der bessere Ermittler zu erweisen, wobei er sich keine Gelegenheit entgehen ließ, Sanos Leistungen herabzuwürdigen. Deshalb wunderte es Sano nicht, dass Hoshina sich nun an seinen Sorgen weidete.
    »Das ist auch der Grund dafür, dass während des Überfalls kein Reisender auf der Tōkaidō erschienen ist. Der Verkehr hat sich vor den Straßensperren gestaut«, beendete Hoshina seine Ausführungen.
    Sano rieb sich das Kinn. Offenbar hatte irgendjemand sehr viele Leute eingesetzt, um dem Pilgerzug den Hinterhalt zu legen.
    »Ihr könnt gehen«, sagte Yanagisawa zu Leutnant Ibe. »Aber bleibt vorerst in den Kasernen des Palasts. Es könnte sein, dass man Euch zwecks weiterer Aussagen braucht.«
    Kaum hatte ein Wachsoldat den Leutnant aus dem Audienzsaal geführt, stieß der Shōgun wütend hervor: »Ich begreife nicht, wie ihr alle … äh, dasitzen und plaudern könnt, während meine Mutter hilflos solch … äh, grausamen Verbrechern ausgeliefert ist! Wie könnt ihr nur so herzlos sein?«
    »Wir müssen Ruhe bewahren, mit kühlem Kopf über die bisherigen Erkenntnisse nachdenken und dann über die weiteren Schritte entscheiden«, sagte Kammerherr Yanagisawa.
    Tokugawa Tsunayoshi starrte ihn an. »Für Euch ist es einfach, Ruhe zu bewahren! Wir alle wissen, dass Ihr ein herzloses, selbstsüchtiges Scheusal seid, dem es egal ist, ob seine Gemahlin abgeschlachtet wird!«
    Entsetzte Stille breitete sich aus. Der Shōgun war vernarrt in Yanagisawa, tadelte ihn nur selten und verzieh ihm üblicherweise die gröbsten Fehler, doch Furcht und Sorge hatten seinen Verstand geschärft und seine Zunge spitz werden lassen. Die Mitglieder der Ältesten Staatsrats zuckten bei den Beschimpfungen zusammen, doch Yanagisawa schien unbeeindruckt. »Ihr irrt, Herr«, sagte er. »Ich mache mir die allergrößten Sorgen um meine Gemahlin.«
    Der Kammerherr liebte seine Frau nicht, doch sie war eine Verwandte der Tokugawa und deshalb ein kostbarer Besitz, denn sie stellte Yanagisawas familiäre Verbindung zum Herrscherhaus dar. Und wer dem Kammerherrn etwas wegnahm, das so wichtig für ihn war, musste teuer dafür bezahlen.
    Der Shōgun erhob sich. Mit zornbebender Stimme verkündete er: »Ich werde mein Heer ausschicken, um meine Mutter zu retten!«
    Sano und Hirata blickten ihn fassungslos an. Kammerherr Yanagisawa runzelte die Stirn, während Hoshina sämtliche Anwesenden mit der Miene eines Theaterbesuchers betrachtete, der eine gelungene Aufführung genießt. Unter den Mitgliedern des Ältesten Staatsrats erhob sich Gemurmel.
    »Mit allem gebotenen Respekt, Herr – ich muss Euch dringend davon abraten, die Entführer von unserer Armee verfolgen zu lassen«, sagte Makino, der Vorsitzende des Ältesten Staatsrats, ein Verbündeter Yanagisawas und erbitterter Gegenspieler Sanos. Mit seinem ausgemergelten Körper und dem Totenschädelgesicht war Makino ein Ausbund an Hässlichkeit. »In der Mitteilung der Entführer heißt es ausdrücklich, Ihr sollt sie nicht verfolgen lassen.«
    »Diese schmutzigen Verbrecher haben dem Herrscher Japans nichts zu befehlen!«, rief der Shōgun mit überkippender Stimme.
    »Aber sie könnten ihre Drohung wahr machen und die Frauen töten«, gab Makino zu bedenken.
    »Das werden sie nicht wagen!«
    »Eure Mutter zu entführen und deren Gefolge zu töten, haben sie schon gewagt«, sagte Kammerherr Yanagisawa.
    »Selbst wenn wir wüssten, wo die Entführer sich aufhalten, können wir keinen Angriff riskieren, ohne das Leben der Frauen zu gefährden«, sagte Sano. Hirata nickte beipflichtend.
    »Ja … äh, ja. Ihr habt Recht«, musste der Shōgun eingestehen. Verzweifelt fügte er hinzu: »Aber wir müssen etwas unternehmen!«
    »Dürfte ich einen Vorschlag machen, Herr?«, fragte Yanagisawa respektvoll. »Kommandeur Hoshina und ich haben eine Elitetruppe aufgestellt, die für schwierige und gefährliche Einsätze ausgebildet ist. Wir könnten diese Truppe einsetzen, um die Frauen aufzuspüren und zu befreien.«
    Sano war dieser Vorschlag zuwider. Er wusste, dass Yanagisawas »Elitetruppe« in

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