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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Schweinsgesicht mit kleinen, zornig funkelnden Augen, einer nach oben gerichteten Nase und stoppeligen Wangen.
    »Das Gericht wird nun die Zeugen hören!«, verkündete der Gerichtsdiener.
    Er rief die ersten Zeugen auf – einen Sandalenschuster und dessen Frau. Sie traten vor und knieten sich neben den shirasu. »Eine Nonne aus der Sekte der Schwarzen Lotosblüte kam in unseren Laden und bat um eine Spende«, berichtete der Schuster. »Als wir uns weigerten, ihr Geld zu geben, hat sie uns mit einem Fluch belegt. Kurze Zeit später ist unser Geschäft niedergebrannt.«
    Sano wusste, dass die Schwarze Lotosblüte häufig Geld von Bürgern erpresste; wenn ihre Bannsprüche nichts bewirkten, übte die Sekte Gewalt aus.
    »Noch am gleichen Abend hat die Polizei diese beiden Männer gefasst, die unseren Laden in Brand gesteckt hatten«, sagte die Frau des Schusters.
    Dann trat ein Polizeioffizier in den Zeugenstand und sagte aus, dass Jun und Goza einen seiner zivilen Helfer getötet hatten, als sie sich der Festnahme widersetzten. Sano musterte die Angeklagten und erkannte in ihnen eine neue Art von Anhängern der Schwarzen Lotosblüte: Diese Männer waren keine irregeleiteten Fanatiker mehr, die glaubten, dass die bloße Zugehörigkeit zur Sekte ihnen spirituelle Erleuchtung brachte. Jun und Goza waren skrupellose Verbrecher, die von der Macht und der Aussicht auf Reichtum angezogen wurden, den die Schwarze Lotosblüte versprach. Vielleicht konnten sie Sano dienlich sein.
    »Ihr dürft zu eurer Verteidigung sprechen«, wandte Magistrat Ueda sich an die Verbrecher.
    Jun zuckte die Achseln und sagte mürrisch: »Ich bekenne mich schuldig.« Auch Goza war sofort geständig. Offenbar hatten die beiden erkannt, dass es aussichtslos war, ihre Schuld abzustreiten, da sie auf frischer Tat ertappt worden waren.
    »Hiermit verurteile ich euch zum Tode«, verkündete Magistrat Ueda. Dann schickte er die Zuschauer und Schreiber aus dem Saal. Die Menge strömte hinaus und ließ Ueda, dessen Wachen und Sano mit den beiden Verbrechern allein, die unruhige Blicke tauschten und ängstlich an den Fesseln ruckten. Sano ging nach vorn zum Podium.
    »Der sōsakan-sama des Shōgun wird euch jetzt ein paar Fragen stellen«, wandte Magistrat Ueda sich an die Verurteilten.
    Die beiden Männer blickten zu Sano auf. In ihren Augen lag genauso viel Feindseligkeit gegenüber Sano wie in dessen Blicken, mit denen er die Verbrecher bedachte. »Wer hat euch dafür bezahlt, dass ihr den Laden niederbrennt?«, fragte er.
    »Ein Priester der Schwarzen Lotosblüte«, sagte Jun. Sein auf derbe Weise hübsches Gesicht glänzte vor Schweiß. »Er nannte sich ›Höchste Weisheit‹.«
    Der kahlköpfige, schweinsgesichtige Goza nickte bestätigend. Offenbar empfanden die beiden Verbrecher keine Loyalität gegenüber ihrem Herrn, sodass es ihnen nichts ausmachte, von ihm zu berichten. Sano erinnerte sich, den Namen »Höchste Weisheit« schon einmal gehört zu haben. Er war ein Priester, der eine große und gefährliche Gefolgschaft besaß.
    »Wo finde ich diesen Mann?«, fragte Sano.
    »Er hat geheime Tempel«, sagte Jun. »Aber ich weiß nicht, wo Höchste Weisheit und seine Anhänger jetzt sind. Sie ziehen ständig umher.«
    Um der Polizei aus dem Weg zu gehen, vermutete Sano. »Woher wisst ihr und seine Gefolgsleute dann, wo Höchste Weisheit zu finden ist?«
    »Er hinterlässt stets Nachrichten in einem Laden in der Nähe der Nihonbashi-Brücke, in dem buddhistische Andenken verkauft werden. Die Mitglieder der Schwarzen Lotosblüte begeben sich dorthin und fragen den Besitzer nach Yoshi – so lautet das Kennwort. Der Besitzer sagt ihnen dann, in welchem Tempel Höchste Weisheit sich an dem jeweiligen Tag aufhält.«
    »Übernehmt ihr noch andere Aufträge außer Brandstiftung?«, wollte Sano wissen.
    »Wenn jemand aus der Schwarzen Lotosblüte ausscheidet, warnen wir ihn, kein Wort über die Sekte zu sagen«, antwortete Goza. »Wer redet, den töten wir. Außerdem entführen wir Frauen, die von den Priestern für ihre Rituale gebraucht werden.«
    Sano erschrak bis ins Mark. »Was für Frauen?«
    Magistrat Ueda machte ein entsetztes Gesicht und beugte sich vor. Er wusste so gut wie Sano, was bei den abartigen, grausamen Ritualen der Schwarzen Lotosblüte vor sich ging.
    »Habt Ihr jemals gehört, dass die Sekte Frauen entführt, um Lösegeld zu erpressen?«, fragte Sano.
    Die Männer schüttelten die Köpfe. Jun runzelte nachdenklich die Stirn, als

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