Der Palast
und Marume stürmten los, um Hirata zu helfen, doch Okita war schneller als sie, packte den Fürsten und zerrte ihn von Hirata weg. Als Hirata nach Luft schnappte, stieß der daimyo Okita von sich und starrte mit irrem Blick auf seinen Leibdiener, der zu Tode verängstigt neben ihm auf dem Boden kauerte. Niu riss dem entsetzten Mann das Rasiermesser aus der Hand.
»Ich werde dafür sorgen, dass Ihr Eure Verbrechen gesteht!«, brüllte Fürst Niu und ging erneut auf Hirata los.
Zur Selbstverteidigung gezwungen, zog Hirata sein Schwert. Seine Wut ließ ihn sogar den eigentlichen Grund seines Kommens vergessen. Doch er war es satt, sich die Beleidigungen und Anschuldigungen Fürst Nius anzuhören. Er würde diesen Krieg jetzt beenden, ungeachtet der Folgen für ihn.
Doch Marume und Fukida stürmten vor und hielten ihn gewaltsam davon ab, sich auf den daimyo zu stürzen. »Nein, Hirata -san !«, riefen sie.
Die Wachposten hatten derweil Fürst Niu gepackt. Geübt darin, andere Menschen vor ihrem Herrn zu schützen – und ihren Herrn vor sich selbst –, hielten sie den fluchenden, sich windenden Mann in eisernem Griff und entwanden ihm das Rasiermesser.
»Ihr werdet dafür bezahlen, dass Ihr mich hereinlegen wolltet, Ihr Sohn einer Hure!«, schrie Fürst Niu Hirata an. »Ich werde Euch die Eingeweide herausreißen!«
»Kommt, verschwinden wir«, sagte Marume. Er und Fukida zerrten Hirata aus dem Gemach.
Erst jetzt kam er wieder zu Verstand und erinnerte sich, weshalb er hergekommen war. »Aber ich bin noch nicht fertig! Ich muss wissen, was mit Midori ist!«, rief er und wehrte sich gegen die eigenen Männer.
»Es hat keinen Sinn«, sagte Fukida und zerrte Hirata aus der Villa. »Selbst wenn er weiß, wo Midori -san ist, wird er nicht reden. Wenn Ihr bleibt, wird es Euch nur das Leben kosten.«
Widerwillig gab Hirata sich geschlagen. Erst draußen vor dem Anwesen, wo die Pferde standen, wurde ihm bewusst, wie dumm und ungeschickt er sich bei der Auseinandersetzung mit Niu verhalten hatte. Er hätte Ruhe bewahren und dem daimyo mit Höflichkeit begegnen müssen, statt die Beherrschung zu verlieren. Auch wenn er wusste, dass sein Schwiegervater sich in diesem Fall wahrscheinlich genauso verhalten hätte, empfand Hirata ein Gefühl der Schmach.
»Ich habe die Gelegenheit vertan, diesen Fall zu lösen«, sagte er bedrückt.
»Es wird weitere Gelegenheiten geben«, erwiderte Marume und schwang sich in den Sattel. »Sorgt Euch nicht. Wir werden Midori -san befreien, was immer auch geschieht.«
Doch Marumes Versuch, Hirata zu beruhigen, hatte keinen Erfolg. Als die Männer die Straße hinunterritten, erinnerte die über den Dächern der Villen aufgehende Sonne Hirata daran, wie schnell die Zeit verging. Und er war bei der Suche nach den entführten Frauen noch keinen Schritt weitergekommen.
Fukida sagte mit der zögernden Stimme eines Mannes, der etwas mitteilte, von dem er wusste, dass sein Vorgesetzter es nicht hören wollte: »Es gibt Grund zu der Annahme, dass Fürst Niu der Entführer ist, aber wir können es nicht beweisen. Und wie Ihr uns gesagt habt, hält Kammerherr Yanagisawa eine ganze Reihe anderer Personen für mögliche Täter. Wenn wir uns zu früh auf Fürst Niu konzentrieren, besteht die Gefahr, dass wir uns bei den Ermittlungen in eine falsche Richtung bewegen.«
Hirata holte tief Luft und nickte. Wenn er sich nicht beherrschte, gefährdete er die gesamte Mission. »Du hast Recht. Ich darf mich nicht durch Vorurteile beeinflussen lassen. Der Entführer kann auch jemand anderes als Fürst Niu gewesen sein.«
Hirata und seine Ermittler lenkten die Pferde auf die Hauptstraße und galoppierten nach Westen. Vor ihnen wand der Weg sich zum unsichtbaren Horizont; Läden und Wohnhäuser, Reiter und Fußgänger bewegten sich schattengleich in der bleiernen Dunstglocke aus feuchter Hitze und Kohlenrauch. Auch die Hügel waren nur graue Schemen vor dem Hintergrund des fahlblauen Himmels. Falls das Wetter hielt, würde ein schneller Tagesritt Hirata und seine Männer an den Schauplatz der Entführungen bringen.
»Aber wenn Fürst Niu hinter dem Verbrechen steckt, werde ich es beweisen«, stieß Hirata hervor und ruckte an den Zügeln. »Und dann wird er dafür bezahlen.«
6.
I
n der Empfangshalle in Sanos Villa knieten hundert Ermittler und Soldaten in Reihen auf dem Boden, während Sano, der auf einem Podium saß, ihnen von den Entführungen berichtete.
»Dieser Fall hat absoluten Vorrang«, sagte
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