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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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er spürte, dass er die Oberhand gewonnen hatte. »Ihr würdet meinen Tod nicht tatenlos in Kauf nehmen, obwohl Ihr Eure Gemahlin liebt und mich hasst. Nein – wir wissen beide, dass Ihr Euer Versprechen einlösen müsst.«
    Sano seufzte tief, als er sich eingestand, dass Hoshina Recht hatte. Der Ehrenkodex eines Samurai, nach dem er lebte, untersagte es ihm, sein Wort zu brechen oder der Bitte eines Verbrechers nachzukommen. Er hatte sein Leben lang nach den Grundsätzen des bushido gehandelt, dem Weg des Kriegers; dies hatte einen Mann aus ihm gemacht, der Hoshina nun den Gefallen erweisen musste, um den er bat. Und Sano erkannte noch andere, wichtigere Gründe, warum er dem Verlangen des Polizeikommandeurs nachgeben musste.
    Widerwillig gestand er seine Niederlage ein und starrte Hoshina wütend an.
    Hoshinas spöttische Miene wich einem triumphierenden Lächeln, während Yanagisawa keinerlei Regung zeigte. Sano begriff, dass seine eigene Ehre stets die stärkste Waffe gewesen war, die seine Gegner gegen ihn richten konnten. Sein Herz wehrte sich, doch der Geist eines Samurai unterdrückte die Proteste. Die Last auf seinen Schultern drückte Sano nieder.
    »Gut, gehen wir jetzt zum Shōgun«, sagte Yanagisawa.
    Er nahm Sano den Erpressungsbrief aus der Hand – offenbar willens, das zu tun, was er gesagt hatte, nämlich dafür zu sorgen, dass die Dinge ihren Lauf nahmen.
    Sano dachte angestrengt nach. Wie konnte er Hoshina und Reiko retten?

13.

    D
    er Shōgun saß im Großen Audienzsaal des Palasts auf dem Podium und hielt den Erpressungsbrief in seinen knochigen Händen. Sein Kopf bewegte sich, und seine Lippen formten unhörbare Worte. Er zog das Gesicht in Falten, während er aufmerksam die Worte der Erpresser las. Es herrschte tiefste Stille.
    Sano saß neben dem Podium, zu Tokugawa Tsunayoshis Linken. Nach außen hin zeigte er Gelassenheit, doch er spürte, dass sein Herzschlag sich beschleunigte und sein Magen sich verkrampfte. Als er im Geiste die Sätze wiederholte, die er sagen wollte, spähte er zu Polizeikommandeur Hoshina hinüber, der neben ihm kniete.
    Hoshina hatte sich in einen seidenen Kimono, eine Hose und ein Gewand in zartem Grün gekleidet, ehe sie in den Palast gegangen waren. Der Schweiß hatte bereits feuchte Flecke auf seiner Kleidung hinterlassen. Unfähig, still zu sitzen, schweifte sein Blick vom Shōgun zu Sano, von den Wachen des Shōgun, die an der Wand standen, zu Sanos Ermittlern, die hinten im Audienzsaal knieten, und schließlich zu Yanagisawa.
    Zu der rechten Seite des Shōgun saß Kammerherr Yanagisawa, dessen Zurückhaltung eine Schranke zwischen sich und allen anderen bildete. Sano wunderte sich über Yanagisawas Selbstbeherrschung. Er selbst wäre nicht so gefasst gewesen, hätte er sich auf einen Feind verlassen müssen, das Leben des Geliebten zu retten.
    »Was hat es mit diesem sonderbaren Gedicht auf sich … äh, über eine ertrunkene Frau und den Drachenkönig?«, fragte der Shōgun verwirrt. »Und was hat das … äh, mit der Entführung zu tun?«
    Niemand antwortete ihm. Alle warteten, bis er die Forderungen der Entführer gelesen hatte. »Ah!« Tokugawa Tsunayoshi hob erstaunt die Augenbrauen. Dann erhellte sich seine Miene. Er hob den Blick und rief: »Jetzt kann ich meine Mutter retten!«
    Er drehte sich zu Hoshina um. »Ihr habt mir … äh, gut gedient, und es ist ein Jammer, dass ich Euch opfern muss. Aber Euch wird die … äh, höchste Ehre zuteil, in Ausübung Eures Dienstes zu sterben.«
    Hoshina schluckte; sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Er brachte kein Wort hervor. Sano hatte damit gerechnet, dass Tokugawa Tsunayoshi den Forderungen der Entführer nachkommen würde, aber war erstaunt, dass der Shōgun mit verletzender Gleichgültigkeit über Hoshina sprach, obwohl er seinen Gefolgsleuten natürlich nichts schuldig war. Sano erkannte, auch wenn er an das Mitgefühl des Shōgun appellierte, würde er Hoshina nicht retten können.
    Der Shōgun gab seinen Wachen ein Zeichen. »Bringt Hoshina -san sofort zum Richtplatz. Wenn er tot ist … äh, stellt seinen Leichnam und seinen abgeschlagenen Kopf auf dem Geländer der Nihonbashi-Brücke aus und fügt ein Zeichen hinzu, das ihn als Mörder brandmarkt.«
    Vier Wachen schritten auf Hoshina zu. Dieser starrte Sano an, als wollte er ihn zwingen, sein Versprechen einzulösen. Yanagisawa beobachtete die Szene mit kühler Distanz. In diesem Moment wurde Sano die letzte Möglichkeit geboten, sein Wort zu

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