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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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entsprach. Hoshina war ein neuer Schlüssel zur Lösung des Rätsels um die Entführung der Frauen und für Reikos Überleben von großer Bedeutung.
    »Übrigens, ich glaube, ich bin Euch zu Dank verpflichtet, dass Ihr den Shōgun überzeugt habt, meine Hinrichtung zu verschieben«, knurrte Hoshina. »Ihr müsst jedoch verzeihen, wenn mir nicht nach Feiern zumute ist.«
    Sano nickte. Er konnte Hoshinas Verbitterung gut verstehen. Mitleid milderte den Hass auf seinen Feind. Hätte das Schicksal eine andere Wende genommen, säße jetzt vielleicht der sōsakan-sama in dieser Todeszelle.
    »Was führt Euch hierher?«, fragte Hoshina. »Alle anderen meiden mich wie die Pest.«
    Wie rasch die Beamten des bakufu Kollegen fallen lassen, die in Schwierigkeiten geraten sind, dachte Sano. »Ich habe eingewilligt, Euer Leben zu retten«, erklärte er. »Ich bin gekommen, um zu Ende zu bringen, was ich begonnen habe.«
    In Hoshinas verächtlichen Blick mischte sich eine Spur Dankbarkeit. »Man könnte fast meinen, Ihr wäret die wahre Verkörperung des Grauens, wenn ich nicht wüsste, dass Ihr tiefere Beweggründe hättet.«
    »Wir alle verfolgen unsere eigenen Interessen«, gab Sano zu, »aber meine decken sich mit den Euren. Ich will die Entführer fassen und die Geiseln befreien. Ihr wollt, dass mir dies gelingt, ehe die Frist von sieben Tagen verstrichen ist, die der Shōgun Euch eingeräumt hat, bevor er Euch hinrichten lässt.«
    Hoshina schürzte zustimmend die Lippen.
    »Ich brauche Eure Hilfe«, sagte Sano. »Werdet Ihr mir ein paar Fragen beantworten?«
    »Ich bin Euer Gefangener«, entgegnete Hoshina.
    Sano hockte sich neben Hoshina auf den Boden. »Wer, glaubt Ihr, hat dies hier geschrieben?« Sano griff in sein Gewand und zog den Erpressungsbrief heraus.
    »Ich habe keine Ahnung.« Hoshina stieß verzweifelt den Atem aus.
    »Könnt Ihr mit dem Gedicht irgendetwas anfangen?«
    Sano legte den Brief auf den Boden. Als die beiden Männer die Zeilen lasen, sagte Hoshina: »Drachen verkörpern Macht, Fruchtbarkeit und Reichtum. Jedes Kind lernt die Geschichte des Drachenkönigs, der über das Meer herrscht. Aber das Gedicht ergibt keinen Sinn. Könnte es bedeuten, dass der Drachenkönig der Entführer ist und die Frauen in seinem Unterwasser-Palast gefangen hält?« Hoshina lachte freudlos. »Es hört sich wie das Geschwafel eines Verrückten an.«
    Sano nickte, denn abgesehen von einem Verrückten würde kaum jemand die Mutter des Shōgun entführen und die Hinrichtung des Polizeikommandeurs von Edo fordern. Und was das Gedicht betraf, hätte Sano hinzufügen können, dass Drachen Regen brachten, damit das Getreide wuchs und die Kräfte der Natur im Gleichgewicht gehalten wurden. Doch wenngleich Sano der Meinung war, dass das Gedicht irgendwelche Hinweise enthalten musste, durfte er keine Zeit verschwenden, indem er mit Hoshina über Gott und die Welt diskutierte. Sie mussten versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. »Erkennt Ihr die Handschrift?«, fragte Sano.
    »Nein«, sagte Hoshina, »ich habe Handschriften nie große Beachtung geschenkt.«
    Diese Antwort war ebenfalls enttäuschend. Sano hatte gehofft, Hoshina könnte mehr Informationen liefern.
    »Wenn Ihr Euch wünscht, alle Antworten auf Eure Fragen von mir zu bekommen, dann denkt daran, wie sehr ich es mir wünschen würde.«
    »Lasst uns über die Frage nachdenken, auf welchen Mord der Brief sich bezieht«, sagte Sano.
    »Ich bin kein Mörder!«, stieß Hoshina aufgebracht hervor. Die Wut trieb ihm die Röte in die Wangen. »Das ärgert mich am meisten an dieser Sache: Irgendein Unbekannter will erreichen, dass ich für ein Verbrechen bestraft werde, das ich nicht begangen habe!«
    Sano musterte ihn skeptisch. »Ihr habt niemals einen Menschen getötet?«
    »Doch, natürlich.« Hoshina schaute Sano an, als hätte dieser eine völlig abwegige Frage gestellt. »Ich bin Polizist und habe in Ausübung meiner Pflicht schon öfter getötet. Aber das ist kein Mord, sondern ein Dienst am Gesetz.«
    »Viele Menschen könnten anders darüber denken«, gab Sano zu bedenken. »Vor allem jemand, der Euch die Schuld am Tod eines Menschen gibt und einen Groll gegen Euch hegt. Das könnte zum Beispiel auf die Entführer zutreffen. Nennt mir die Namen sämtlicher Personen, die Ihr getötet habt, und die Namen ihrer Familienangehörigen sowie ihrer Verbündeten. Auch die Einzelheiten, wann, wo und wie Ihr diese Leute getötet habt, könnten uns helfen.«
    Hoshina kicherte

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