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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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vorbei in den Empfangssaal. Yanagisawa kniete auf seinem Podium. Bedienstete hielten auf seinem Schreibpult eine ausgerollte Schriftrolle für ihn fest. Drei Beamte in schwarzen Roben saßen unterhalb des Podiums und beobachteten, wie Yanagisawa sein Jadesiegel in Tusche tauchte und die Dokumente stempelte. Als der Kammerherr Sano auf der Schwelle erblickte, entließ er die Bediensteten und Hofbeamten und winkte den sōsakan-sama zu sich.
    »Habt Ihr nützliche Hinweise vom Polizeikommandeur erhalten?«, fragte Yanagisawa, der sich gar nicht erst nach Hoshinas Befinden erkundigte.
    Der nüchterne Tonfall des Kammerherrn ließ vermuten, dass ihn lediglich interessierte, ob Hoshina Hinweise zur Entführung liefern konnte. Vielleicht wollte Yanagisawa seine persönliche Sorge um Hoshina nicht zeigen, weil er befürchtete, das Gespräch könne belauscht werden, doch Sano fragte sich, ob der Kammerherr seinen Geliebten tatsächlich aufgegeben hatte. Die Vermutung lag nahe, dass die Beziehung zu Hoshina, dessen Titel er statt des Namens genannt hatte, für Yanagisawa bereits der Vergangenheit angehörte. Möglicherweise hatte Sano den Kammerherrn falsch eingeschätzt.
    »Hier ist eine Liste aller Personen, für deren Tod Hoshina direkt oder indirekt verantwortlich ist.« Sano reichte dem Kammerherrn das Blatt. »Wir haben zwei Hauptverdächtige gefunden.« Er nannte die Namen des Händlers Naraya und des Kii-Klans und erklärte, welche Beziehungen es zwischen diesen Familien und Hoshina gab. Yanagisawa lauschte aufmerksam, ohne den sōsakan-sama zu unterbrechen. »Ich werde die Männer verhören. Vielleicht ist Naraya oder ein Mitglied des Kii-Klans …« Sano erinnerte sich an das seltsame Gedicht. »Der Drachenkönig.«
    Ein leichtes Lächeln umspielte Yanagisawas Lippen. »Welch passender Name für den Entführer.« Der Kammerherr verstummte, stützte das Kinn auf die Hände und studierte die Liste. Dann traf er eine Entscheidung. »Ihr befragt den Händler Naraya«, sagte er zu Sano. »Den Kii-Klan übernehme ich. Wir treffen uns heute Nacht zur Stunde des Ebers und vergleichen unsere Ergebnisse.«
    Sano fragte sich, ob Yanagisawa den Polizeikommandeur Hoshina vielleicht doch retten und ihre zerrüttete Beziehung kitten wollte. Doch sein wichtigstes Ziel war natürlich, die Entführer zu fassen. Yanagisawa war sehr daran gelegen, sich mit der Rettung von Keisho-in brüsten zu können, wie Hoshina vermutet hatte. Es wäre nicht das erste Mal, wenn Yanagisawa Ermittlungsergebnisse Sanos als die eigenen ausgeben würde. Allerdings sorgte Sano sich im Augenblick weniger darum, wer sich mit welchen Verdiensten brüstete, sondern um die Rettung der Frauen. Zudem hatte er Angst, Yanagisawa könne die Ermittlungen gefährden. Sano hatte keine Möglichkeit, Yanagisawas Handeln zu kontrollieren.
    »Wie Ihr wünscht«, sagte Sano, verneigte sich, stand auf und verließ den Raum. Er hatte es eilig, das Rätsel zu lösen und die Geiseln zu befreien, bevor Yanagisawa irgendetwas unternahm, das Reiko in Gefahr brachte.

16.
    I
    hr hättet nicht versuchen dürfen zu fliehen«, schimpfte Fürstin Keisho-in und funkelte Reiko böse an. »Es war eine Dummheit, die uns alle sinnlos in große Gefahr bringt.«
    Laute Donnerschläge erschütterten den Turm. Blitze erhellten das Gefängnis mit ihrem flackernden Licht, während es durch die beschädigte Decke regnete. Die Frauen drängten sich in einer Ecke, in der es einigermaßen trocken war. Reiko senkte beschämt den Kopf. Sie bedauerte ihr Versagen mehr als Keisho-in.
    »Reiko -san konnte ja nicht wissen, dass wir auf einer Insel gefangen gehalten werden«, verteidigte Midori ihre Freundin. Als die Wachen Reiko zurück in das Gefängnis gebracht hatten und sie den anderen Frauen von ihren Erlebnissen berichtet hatte, hatte Midori vor Enttäuschung geweint. Jetzt aber verteidigte sie Reiko. »Es ist nicht ihre Schuld, dass unser Plan misslungen ist.« Midori schenkte Reiko ein Lächeln. »Ich bin froh, dass Ihr versucht habt, uns zu retten, Reiko -san .«
    »Danke«, sagte Reiko, erfreut über Midoris Loyalität.
    »Du brauchst sie gar nicht in Schutz zu nehmen«, fuhr Fürstin Keisho-in Midori an. »Wenn sie sich nicht so dumm verhalten hätte, würden diese Männer uns besser behandeln. Zumindest würden sie uns etwas zu essen bringen und den Raum säubern.« Die Entführer hatten ihnen kein Essen mehr gebracht, seit Reiko den Suppenkübel auf den Jungen geworfen hatte. Die Frauen kamen

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