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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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sein Wort gegenüber Hoshina zu brechen und den Shōgun die Forderungen der Erpresser nach der Hinrichtung des Polizeikommandeurs erfüllen zu lassen? Schließlich bestand die Möglichkeit, dass Ermittlungen ergaben, dass weder Naraya noch der Kii-Klan die Frauen entführt hatten. Und dann stand Sano mit leeren Händen da.
    »Als Emiko am nächsten Tag auf ihren Prozess wartete, brach unweit des Gefängnisses ein Feuer aus«, fuhr Naraya fort. »Die Wärter ließen die Gefangenen frei.«
    Nach den Gesetzen der Tokugawa mussten sämtliche Häftlinge freigelassen werden, wenn ein Feuer ihr Leben bedrohte, damit sie nicht starben – ein seltenes Beispiel der Milde und Gnade eines ansonsten grausamen Strafrechts. Sobald keine Gefahr mehr bestand, mussten die Gefangenen freiwillig ins Gefängnis zurückkehren, und die meisten hielten sich daran.
    »Aber Emiko kam nicht, als man das Feuer gelöscht hatte und alle ins Gefängnis zurückgekehrt waren …« Naraya atmete heftig, seine Lippen bebten, und Tränen liefen ihm über die eingefallenen Wangen. »Ein Wächter fand Emiko dann tot in einer Pferdetränke. Sie war ertrunken.«
    Sanos Puls ging vor Aufregung schneller. Narayas Tochter war genauso umgekommen wie die namenlose Frau in dem Gedicht des Erpressungsbriefes! War ihr Tod jener Mord, der den Forderungen nach Hoshinas Hinrichtung vorausgegangen war?
    »Es wurde keine offizielle Erklärung für den Tod meiner Tochter abgegeben«, klagte Naraya verbittert. »Vielleicht ist sie in die Tränke gefallen. Vielleicht hat sie jemand hineingestoßen. Aber ich glaube, sie hat sich ertränkt, weil sie die Schande nicht ertragen konnte.«
    »Und Ihr glaubt, dass Polizeikommandeur Hoshina indirekt die Schuld an ihrem Selbstmord trägt?«, fragte Sano gespannt.
    »Wäre dieser Schurke nicht gewesen, würde meine Emiko noch leben!«, stieß Naraya voller Bitterkeit hervor und wischte sich die Tränen ab. »Dann hätte ich mein einziges Kind nicht verloren! Meine Frau wäre nicht vor sieben Jahren an Kummer gestorben. Jeder Tag, den Hoshina lebt, ist eine Beleidigung für das Andenken meiner Gemahlin und meiner Tochter! Jeden Tag bete ich, dass er dieselben Qualen und Demütigungen erleiden muss wie sie!«
    Sano schwieg nachdenklich, als Naraya geendet hatte. Sein Mitleid mit Naraya war größer als seine Achtung vor dem verschlagenen Hoshina. Sano wünschte sich, Naraya möge unschuldig und zugleich der Entführer sein. Er hätte es lieber gesehen, dass Naraya Rache für den Tod seiner Tochter übte, als dass er für das Massaker und die Entführungen bestraft wurde.
    Plötzlich hellte Narayas Miene sich ein wenig auf. »Aber die Vergangenheit ist wie das Wasser unter den Brücken. Wir müssen unser Schicksal akzeptieren und in die Zukunft schauen.« Der Händler verstummte und fügte dann zögernd hinzu: »Darf ich fragen, was mein alter Groll gegen Hoshina -san mit der Entführung der Mutter des Shōgun zu tun hat?«
    »Der Shōgun hat einen Brief von dem Entführer erhalten«, erklärte Sano. »Er verlangt, dass Hoshina im Gegenzug für die Rückkehr Keisho-ins als Mörder verurteilt und hingerichtet wird.«
    Naraya riss Mund und Augen auf. Er sah aus, als hätte er einen Stein verschluckt, der nun in seiner Kehle steckte. Offenbar begriff er, wie sehr er sich selbst durch seinen Bericht belastet hatte. Dann aber warf er den Kopf zurück und lachte lauthals.
    »Dann bekommt Hoshina -san endlich seine gerechte Strafe!«, rief er. »Also gibt es in dieser Welt doch Gerechtigkeit!« Der Händler sprang fröhlich auf und nieder. »Ich werde zum Richtplatz gehen und mir seine Hinrichtung anschauen!« Naraya versuchte gar nicht erst, seine Freude zu verbergen. Er rieb sich die Hände und streckte die Arme zum Himmel. »Gelobt seien die Götter, die meine Gebete erhört haben! Endlich hat jemand diesen Schurken zur Strecke gebracht!«
    »Wart Ihr es?«, fragte Sano geradeheraus, bezweifelte es aber, denn Naraya schien sich tatsächlich über die Forderungen der Entführer zu wundern. Könnte ein guter Schauspieler eine derartige Reaktion vortäuschen?, fragte sich Sano. Es sah nicht danach aus: Wäre Naraya der Entführer, hätte er nun in Angst und Schrecken geraten müssen, weil Sano die Spur des Erpressungsbriefes bis zu ihm zurückverfolgt hatte. Der Händler hätte sich vor der Bestrafung fürchten müssen, anstatt sich über Hoshinas Untergang zu freuen.
    »Ich wünschte fast, ich wäre es gewesen«, gestand Naraya. »Welch

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