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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Marume.
    »Wir könnten schwimmen«, erwiderte Fukida und versuchte, die Entfernung zur Insel zu schätzen. »Aber wir brauchen Boote, damit wir die Frauen in Sicherheit bringen können.«
    »Was ist mit diesen Booten hier?« Marume zeigte auf den Steg in der Ferne.
    »Die sollten wir nicht benutzen«, meinte Hirata. »Wenn der schlimmste Fall eintritt und die Entführer uns auf der Insel entdecken, ehe wir die Frauen in Sicherheit gebracht haben, werden sie die Boote bewachen. Wir müssten alle schwimmen, und Midori kann das nicht – schon gar nicht in ihrem Zustand.«
    »Ich würde mich auch nicht darauf verlassen, dass die anderen Frauen schwimmen können«, sagte Fukida. »Wir könnten sie über den See ziehen, aber dadurch würden wir unsere Flucht erheblich verzögern, und die Entführer hätten die Möglichkeit, uns zu entdecken.«
    Hirata hatte das schreckliche Bild vor Augen, wie sie und die vier Frauen von den Entführern mit Booten gejagt und mit Pfeilen beschossen wurden. Und es lauerten noch andere Gefahren, wenn sie die Frauen fanden, aus ihrem Gefängnis befreiten und zum Ufer brachten.
    »Um die Frauen hierher bringen zu können, brauchen wir ein eigenes Boot, das wir auf der Insel verstecken können«, sagte Hirata schließlich und sprach damit das dringlichste Problem an. Den anderen Problemen würde er sich später zuwenden. Er verdrängte auch den Gedanken an Sano und dessen Reaktion, wenn dieser herausfand, dass Hirata sich über seine Befehle hinweggesetzt hatte.
    »Wir könnten zum nächsten Dorf reiten und dort fragen, ob die Bewohner uns ein Boot leihen oder verkaufen«, schlug Marume vor.
    »Ich lasse die Insel nicht mehr aus den Augen«, erwiderte Hirata und ließ suchend den Blick schweifen. Er entdeckte mehrere Baumstämme, die im Unterholz lagen, und junge Triebe an den Bäumen. »Wir schneiden uns Stämme zurecht, binden sie mit dünnen Ästen zusammen und bauen uns ein Floß«, sagte er. »Dann warten wir, bis die Nacht hereinbricht, und rudern über den See zur Insel.«

19.
    I
    m Hospital auf dem Palastgelände ruhte Leibdienerin Suiren regungslos im Krankenbett. Ihre geschlossenen Augen lagen in tiefen Höhlen, und die Gesichtsknochen malten sich unter der dünnen blassen Haut ab. Sano kniete auf einer Seite des Bettes, Dr. Kitano auf der anderen. Die kranke Frau atmete schwach durch ihre blassen, aufgesprungenen Lippen. Weihrauchduft schwebte über ihrem Krankenlager, während die Zauberer Tamburine schlugen und die Priester Gebete sprachen, die Genesung bringen sollten. Der Dampf der brodelnden Kräuteraufgüsse vernebelte den Raum.
    »Hat ihr Zustand sich verbessert?«, fragte Sano besorgt.
    Vor wenigen Minuten hatte der sōsakan-sama das Krankenzimmer betreten, um die einzige Überlebende des Massakers zu vernehmen. Die wichtige Tatzeugin war in der Aufregung, die der Erpressungsbrief verursacht hatte, vergessen worden. Sano hatte vorgehabt, dem Beispiel Hoshinas zu folgen und Suiren zu befragen, doch ein Blick auf die Verwundete machte seine Hoffnungen zunichte, von dieser Frau Informationen zu erhalten.
    »Es geht ihr weder besser noch schlechter«, sagte Dr. Kitano. »Sie hat eine bemerkenswert gute Konstitution und einen starken Lebenswillen, doch sie schwebt noch immer in Lebensgefahr.«
    »War sie zwischenzeitlich bei Bewusstsein?«, fragte Sano.
    »Seit Hoshina -san mich gezwungen hat, sie zu wecken, ist sie nicht mehr aus der Ohnmacht erwacht.« Auf Dr. Kitanos ernster Miene spiegelte sich Missbilligung. »Er bestand darauf, dass ich sie aufwecke, damit er sie über den Hinterhalt befragen konnte, obwohl sie viel zu schwach und benommen war. Seine Rücksichtslosigkeit hätte sie umbringen können, wenn ich ihm nicht Einhalt geboten hätte.«
    In Sano stieg Wut auf, dass Hoshina Suirens Leben und die Ermittlungen gefährdet hatte. Auch wenn der Polizeikommandeur ein fähiger Ermittler war, griff er viel zu oft zu roher Gewalt. Sano wünschte sich, Hoshina wäre niemals nach Edo gekommen. Er hatte vielen Menschen Schaden zugefügt – und dazu gehörten nicht nur Narayas Tochter und die anderen auf der Liste, für deren Tod er mehr oder weniger verantwortlich war. Das Massaker an der Tōkaidō und die Entführungen waren die Reaktion auf ein Unrecht, das Hoshina begangen hatte. Wenn Reiko, Midori, Keisho-in und Fürstin Yanagisawa ermordet wurden, war es zum Teil seine Schuld. Das einzig Gute an der Sache war, dass Hoshina unter Arrest stand und niemandem mehr Schaden

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