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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Sano zu Madam Chizuru.
    Sie begannen mit den Gemächern der Hofdamen. Es mochte sein, dass Suiren wie eine Nonne gelebt hatte, doch Sano stellte fest, dass dies bei den anderen Frauen nicht der Fall gewesen war. In ihren Gemächern entdeckte er prächtige Kleider, schönen Haarschmuck, Schminke, Tabakspfeifen, Kartenspiele, Musikinstrumente und Sakekrüge. Er fand auch erotische Bilder und geschnitzte Jadephallusse, die offenbar für die Selbstbefriedigung vorgesehen waren. Sano schämte sich, die Geheimnisse der toten Frauen aufzudecken, vor allem, da Madam Chizuru den guten Charakter jeder einzelnen beschwor. Doch Sano fand keinen Hinweis darauf, dass sie mit den Verbrechern, die ihre Herrin entführt hatten, unter einer Decke gesteckt hatten. Er war sicher, dass sie alle unschuldige Opfer waren, und sein Glaube an Hoshinas Theorie geriet immer mehr ins Wanken. Nachdem er die Besitztümer wieder in den Schrank geräumt hatte, wandte er sich Madam Chizuru zu.
    »Ich werde jetzt die Gemächer der Dienstmädchen durchsuchen«, sagte Sano.
    Die Dienstmädchen lebten in einem Gemeinschaftsraum in einem gesonderten Flügel des Inneren Schlosses. Während Chizuru von der Tür aus zuschaute, durchsuchte Sano die Habseligkeiten der Dienstmädchen, ohne sich großen Hoffnungen hinzugeben. Er durchwühlte die wenigen billigen Kleidungsstücke und den billigen Schmuck, die die Dienstmädchen, die beim Massaker ums Leben gekommen waren, in den Holzschränken zurückgelassen hatten. Als Sano einen blau und weiß gestreiften Kimono von einem Bügel zog, vernahm er ein Klirren. Sano schob eine Hand in den Ärmel des Kleidungsstücks und zog einen kleinen Stoffbeutel mit einer Schnur hervor. Er zog die Schnur auf, schüttete den Inhalt des Beutels in seine Handfläche und blickte auf fünf glitzernde Goldmünzen.
    »Wem gehört das?«, fragte er und hielt den Kimono hoch.
    »Dem jüngsten Dienstmädchen der Fürstin Keisho-in«, sagte Chizuru. »Sie heißt Mariko. Was habt Ihr denn gefunden?«, fragte sie neugierig und besorgt zugleich.
    Sano zeigte ihr die Münzen. »Wie ist Mariko an das Geld gekommen?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte Chizuru verwundert. »Die Dienstmädchen werden mit Kupfermünzen und nicht mit Gold entlohnt. Es würde Jahre dauern, bis Mariko so viel Geld verdient hätte, und sie arbeitet erst seit sechs Monaten hier.«
    »Woher könnte sie das Geld sonst haben?«, fragte Sano.
    Chizuru schüttelte den Kopf. »Mariko stammt aus einer armen Familie.«
    Erregung erfasste Sano, als Hoshinas Theorie wieder an Bedeutung gewann. Sano vermutete, dass es sich bei den Goldmünzen um Bestechungsgeld des Drachenkönigs handelte und dass Mariko seine Spionin war, die ihn über Fürstin Keisho-ins Reise informiert hatte. Vielleicht hatte sie die Münzen vor Antritt der Reise versteckt, damit sie es unterwegs nicht verlor, oder damit es ihr auf der Fernstraße nicht gestohlen wurde. Oder der Drachenkönig hatte Mariko getötet, wie alle anderen Gefolgsleute auch, damit sie ihn nicht verraten konnte.
    Vielleicht hatte Mariko gar nicht gewusst, warum der Drachenkönig die Informationen haben wollte. Jedenfalls war sie nicht mehr zurückgekehrt, um ihr Blutgeld auszugeben. Hoshinas Theorie könnte sich tatsächlich als richtig erweisen, auch wenn er die falsche Person verdächtigt hatte, eine Komplizin des Drachenkönigs zu sein. Vielleicht schuldete Sano Hoshina doch mehr Respekt, als er geglaubt hatte.
    »Hat Mariko den Palast verlassen, nachdem Fürstin Keisho-in ihre Reisepläne bekannt gegeben hat?«, fragte Sano.
    »Das hat sie in der Tat«, erwiderte Chizuru zögernd, und Sano sah, dass ihre Gedanken in dieselbe Richtung gingen wie seine eigenen. »Sie hat um einen freien Abend gebeten, und ich habe ihn ihr gewährt.«
    »Warum habt Ihr das getan?« Sano wusste, dass Bedienstete in der Regel zwei freie Tage im Jahr erhielten – einen im achten und den anderen im zwölften Monat. Am Tag vor der Reise wurde kein Urlaub gewährt.
    »Mariko sagte, sie wolle ihre Mutter besuchen, die im Sterben liege«, erklärte Chizuru. »Sie hat mir Leid getan, darum habe ich ihr den freien Abend gewährt.« Plötzlich riss Chizuru vor Schreck die Augen auf. »Glaubt Ihr, sie hat die Entführer über die Reise informiert, anstatt ihre todkranke Mutter zu besuchen? Sie war immer ein ehrliches, gehorsames Mädchen. Ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass sie lügt. Wenn ich es vermutet hätte, hätte ich sie niemals gehen lassen.«

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