Der Papstkäufer
besser geworden, auch wenn er nie hoffen durfte, als echter Römer durchgehen zu dürfen.
Hier in Rom durfte er sogar Kleidung tragen mit Samt und Seide, Hermelin und Zobel. In Augsburg und dem Rest Deutschlands war dies dem Adel vorbehalten. Hier in Rom, da ließ es sich leben! Wie ein Fürst. Ein italienischer Fürst!
Dabei wusste er nicht, dass es in Rom einen bösen Begriff gab für Deutsche, die sich zu gut assimiliert hatten: ›Tedesco italizzato e diavolo incarnato‹. Sonst hätte er vielleicht ein paar schwäbische Tugenden an sich behalten …
Anfang des neuen Jahrhunderts, das Heilige Jahr gerade vorüber, ereilte ihn zum ersten Mal der Ruf des berüchtigten Papstes Alexander VI. Johannes Zink war schon beinahe zwei Jahre in Rom tätig, aber davon erst ein paar Monate als Leiter der Fugger-Filiale. Gehört hatte er viel über den Borgiapapst, gesehen bis dahin hatte er ihn nur aus der Ferne. Mondän, ausschweifend und korrupt, das waren die Attribute, die Alexander zugeschrieben wurden. Seine grenzenlose Liebe zu Luxus und Reichtum war legendär. Jedoch auch seine Grausamkeit und Brutalität. Es war noch nicht lange her, da hatte er seinen Privatsekretär Bartolomeo Flores, den Erzbischof von Cosenza, für die Fälschung von rund dreitausend Erlassen mit dem päpstlichen Siegel im miesesten Verlies im Untergeschoss der Engelsburg einkerkern lassen. Nur mit einem Hemd und einem Kruzifix, einem Strohsack, einer Bibel, einem Gebetbuch, einem Fass Wasser, einem Laib Brot und einer funzeligen Öllampe. So erzählte de Doffis seinem Nachfolger. »Das sollte bis an sein Lebensende reichen müssen. Zweimal die Woche gab es eine Kleinigkeit an Vorräten. Neun Monate hielt Flores durch. Alexander ließ ihn dort elendiglich verrecken.«
De Doffis hatte bereits des Öfteren vor dem Papstthron gestanden und informierte Zink entsprechend.
»Für Geld und Gold gibt es bei ihm alles zu kaufen; jeder Titel außer seinem eigenen ist nur eine Frage des Preises.«
»Wie soll ich auftreten?« Der sonst so selbstbewusst agierende Faktor Johannes Zink war ausnahmsweise einmal unsicher. »Demütig oder prunkvoll?«
»Unbedingt prunkvoll!«, assistierte de Doffis.
»Er hat Euch gerufen, nicht umgekehrt. Also will er Euch als Euresgleichen erkennen.«
Zink nickte. Das klang einleuchtend.
»Was mag er nur von mir beziehungsweise von der Fuggerbank wollen?«
»Das fragt Ihr im Ernst? Geld natürlich!«, lachte de Doffis. »Wappnet Euch also entweder mit genügend Schuldscheinen oder guten Ausreden.«
Mit einem bangen Gefühl in der Magengegend machte Zink seinen Antrittsbesuch im Vatikan. Auch wenn in Augsburg mittlerweile mehr Geld in den Schatztruhen lag, auch wenn es bei Weitem größere Städte gab als Rom: Hier war immer noch eines der wichtigsten Zentren europäischer Macht. Hier waren die Fenster höher, das Holz dunkler, der Marmor älter und die Teppiche schwerer als anderswo.
Und Papst Alexander VI. war wirklich eine imposante Erscheinung: Groß, wohlbeleibt, mit einer mächtigen Adlernase im feisten Gesicht, fast vollständiger Glatze – nur ein tonsurähnlicher bräunlicher Haarstreifen umgab wie ein Kranz seinen Hinterkopf. Die Haut an den Armen und am Kopf – das, was sichtbar war, war blass, fast weiß, und wirkte aufgedunsen, so wie die Haut eines Menschen, der zu lange im Wasser gelegen hatte. Anscheinend scheute der Papst das Sonnenlicht wie der Teufel das Weihwasser. Zu dieser äußerlichen Erscheinung gesellte sich eine befehlsgewohnte, dröhnende Stimme, die Zink zusammenfahren ließ.
Die Bewirtung bei diesem ersten Treffen war nach Borgia-Maßstäben bescheiden; fast jeder andere hätte es jedoch jederzeit als Prunktafel bezeichnet. Da Alexander genau wusste, dass er alles andere als beliebt war, kam keine Speise, kein Getränk an seinen Gaumen, ohne vorher den seines Vorkosters passiert zu haben. So hatte Zink Gelegenheit, zum ersten, aber beileibe nicht zum letzten Mal Zeuge der päpstlichen Paranoia zu werden. Die begann bereits damit, dass Weinkeller, Vorratskammern und Küche des Papstes für fremden Zutritt verboten waren. Während sich Zink und Alexander einander bekannt machten, prüfte der Hofmeister diskret das bereitgestellte Essgeschirr, die Tischtücher, die Salzstreuer, Weinkelche und Wasserschalen. Nachdem das Essen fertig zubereitet war, wurden die Schüsseln zugedeckt und an den päpstlichen Tisch gebracht. Der Vorschneider entnahm vor seinen und Zinks Augen eine
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