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Der Papstkäufer

Der Papstkäufer

Titel: Der Papstkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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gegeben hatte, dass sie hier nur auf Gleichgesinnte und gleichermaßen das Zinsverbot Umgehende treffen würden, hatte zur Folge, dass diese bald alle Vorsicht vergaßen und alle Hemmungen fallen ließen. So weit, dass es bald erste Einzelsitzungen gab.
    Der erste Kardinal, der Zink seine geheimsten Sehnsüchte beichtete, kam aus einer der ältesten Familien Roms. Girolamo di Selvio war im besten Kardinalsalter, was in der Zeit der Renaissance Ende dreißig bedeutete. Groß gewachsen, mit pechschwarzen, dichten Haaren, einer Hakennase, blaugrauen Augen und rotgeäderten Wangen, war er eine durchaus markante Erscheinung. Als jüngster Spross war ihm das Familiengeschäft vorenthalten und die geistliche Laufbahn beschieden worden. Eines kühlen Herbsttages – gleich nach Papst Alexanders Tod – erschien er bei Zink.
    »Ich habe gehört, bei Euch sei mein Geld in guten, wachstumsfördernden Händen?«
    Zink lächelte.
    »Wo habt Ihr das gehört, Euer Exzellenz?«, fragte er misstrauisch nach, da er den neu bestellten Kardinal noch nicht einschätzen konnte. »Glaubt Ihr etwa, ich würde das päpstliche Zinsverbot umgehen?«
    Vorsicht war hier immer angesagt. Di Selvio nannte daraufhin ein paar Namen von Zinks meistgeschätzten Kunden, um auf diese Weise sein Misstrauen zu zerstreuen. Zink grinste und setzte seinen berühmten Gesichtsausdruck auf: Freundliche Miene mit stechendem Blick.
    »Und was kann ich für Euch tun, Exzellenz?«
    »Ich hätte ein paar Gulden, die keine Heimat haben. Wie ist Euer Angebot?«
    »Um wie viele heimatlose Gulden handelt es sich?«
    Di Selvio sagte es ihm.
    »Dafür erhaltet Ihr vier Prozent pro Jahr.«
    Der Kardinal schüttelte den Kopf.
    »Die Medici zahlen fünf.«
    Zink erwiderte:
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und was glaubt Ihr, warum immer mehr Geld bei unserer Fuggerbank angelegt wird? Wir zahlen die Zinsen erstens pünktlich aus. Zweitens bleibt bei uns der Deckel auf dem Topf drauf, was bedeutet, dass es außer Eurem Schuldschein keinen Beweis für die Existenz des Geldes gibt. Wenn Ihr es denn so wollt. Und drittens …«, hier stockte er kurz.
    »Ja, was wäre drittens?«, fragte der Kardinal nach.
    »Drittens könntet Ihr Euch bei nächster Gelegenheit schon einen Abschlag auf Eure Zinsen abholen. Sagt mir nur, was Ihr Euch vorstellt.«
    Der Kardinal überlegte kurz und sagte es ihm.
     
    Eine Woche später öffnete Zinks Diener die Tür für einen Mann, der unter seinem Umhang mit der weit geschnittenen, schwarzen Kapuze nicht zu erkennen war. Zink hieß ihn willkommen und entließ den Diener.
    »Habt Ihr das Geld dabei?«
    Der Mann löste einen Lederbeutel von seinem Gürtel und warf ihn dem Fuggerfaktor zu. Der lächelte.
    »Das ist aber mehr als besprochen.«
    »Ich dachte mir, wenn schon, denn schon.«
    Zink nickte.
    »Es ist alles bereit, wie Ihr es mir erklärt habt.«
    Und er wies auf eine Tür.
    »Dort geht hinein. Aber lasst Euch vorher noch die Augen verbinden.«
    Der Kardinal wollte protestieren, musste sich aber dann eingestehen, dass dies die Spannung nur erhöhen würde. Zink knotete die Binde nicht zu fest, dann nahm er di Selvio beim Arm und führte ihn zur Tür, öffnete diese und ließ ihn hineingehen. Dann schloss er die Türe und wartete.
    Hinter der Tür, in dem kleinen Raum, in dem der Kardinal jetzt stand, herrschte totale Dunkelheit. Die Augenbinde wäre gar nicht notwendig gewesen. Kurz zögerte der Kardinal. Was würde nun geschehen? Er wartete voller Spannung. Erregung zog, beginnend in der Magengegend, durch seinen ganzen Körper. Da, ein Geräusch! Dann eine Hand, die am Seil seiner einfachen, leinenen Kutte nestelte, die er sich für diesen Anlass angezogen hatte. Sonst liebte er prunkvolle Gewänder, aber hier wäre dies unpraktisch gewesen. Endlich war der Knoten gelöst. Er streifte sich die Kutte von den Schultern. Darunter war er nackt. Die Hand zog ihn am Arm hinunter. Er fühlte ein Möbelstück, eine Art Liege oder Sofa. Er setzte sich. Die Hand – oder war es eine andere Hand, drückte seine Schultern hinunter. Er legte sich lang. Ja, mittlerweile waren es zwei Hände. Nein, drei, vier, fünf, sechs Hände, die ihn überall streichelten und liebkosten. Seine Erregung stieg ins Unermessliche. Vor allem, nachdem er registriert hatte, dass Zink seine Wünsche aufs Präziseste umgesetzt hatte: Es waren Kinderhände, ob Jungen oder Mädchen, konnte er nicht sagen. Das war ihm gleich. Er hatte immer schon eine Schwäche für

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