Der Papstkäufer
sprach er sie an.
»Kenne ich Euch?«
Die Frau lächelte verführerisch.
»Vielleicht. Woher meint Ihr denn, mich zu kennen?«
Zinks Mundwinkel zuckten. Jetzt war er unsicher. Sein berühmter Blick schien von der Frau abzuprallen. War er hier an eine Puttana geraten? Also fragte er keck zurück:
»Woher sollte ich Euch denn kennen können?«
»Seid Ihr ein Mann der Kirche?«, fuhr die Frau fort. »Dann ist es möglich, dass wir uns im Vatikan begegnet sind. Es ist aber bereits eine Weile her, dass ich zuletzt dort war. Seit Papst Alexander nicht mehr unter uns weilt …«
Sie ließ die Fortsetzung des Satzes offen, denn sie sah Zinks offenen Mund und verstand, dass er sie wiedererkannt hatte.
»Giulia Farnese?«
Das war keine Frage, mehr eine Feststellung.
Die Frau nickte.
»Und Ihr?«
»Johann Zink, Faktor der Fuggerbank.«
Giulia Farnese brach, der kirchlichen Umgebung zum Trotz, in glockenhelles Lachen aus.
»Der Kastanienball!«
Nun leuchteten auch Zinks Augen, denn es war ihm keineswegs peinlich, an diesen Abend erinnert zu werden. Die Frau, die vor ihm stand, war Cesare Borgias damalige Favoritin gewesen. Die Frau, die ihm zuerst beim Umkleiden geholfen hatte, ihm dann den kecken Klaps aufs Hinterteil gegeben und später auf so unzüchtige Weise die Kastanien aufgesammelt hatte. Sie war eine enge Freundin von Cesares Schwester Lucrezia Borgia, der Tochter Vanozzas, gewesen und zu ihrer besten Zeit so stadtbekannt, dass die Römer ihr einen eigenen Lästernamen gegeben hatten: Giulia war die ›Braut Christi‹. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihr Bruder Alessandro in der Kirche rasant Karriere machte. Wenn er deswegen auch nicht den besten Leumund hatte. Auch ihm war der Spott der Straße gewiss gewesen, aber bösartiger als der für seine Schwester: ›Cardinal Gonella‹ – ›Röckchen‹ und ›Cardinal Fregnese‹ – ›Möse‹, tuschelten ihm die Leute hinterher.
Zink hatte nur noch gerüchteweise mitbekommen, dass sich für einige Jahre auch Papst Alexander ihrer Liebeskunst versichert hatte. Bis er gestorben und Cesare in Ungnade gefallen war.
Er unterbrach den Moment der Stille und der Überlegung, der der Erkenntnis des Kastanienballs gefolgt war.
»Was führt Euch hierher, in diese einzige Kirche aus der Zeit der Gotik, in einer Stadt so voller Kirchen?«
»Der Regen, wohl ebenso wie bei Euch«, erwiderte Giulia kokett.
»Nun, ich glaube, der hat mittlerweile aufgehört.«
Er bereute den Satz in dem Moment, in dem er ihn sagte. Er wollte unbedingt, dass diese Frau bei ihm blieb. Sie war die dreißig Jahre jüngere Ausgabe seiner Vanozza. Bildschön und talentiert, dabei ohne jede Skrupel. Eine Frau, so recht nach seinem Geschmack.
In seiner Jacke ertastete er ein Stück Marzipan, in ein leicht feuchtes Tuch gewickelt. Eigentlich war es für ihn selbst bestimmt, er liebte diese süße Leckerei. Mit einem süffisanten Grinsen zog er das Tuch aus der Tasche, wickelte das fingergroße Stück aus und reichte es mit einer leichten Verbeugung der schönen Frau an seiner Seite. Die lachte überrascht auf.
»Da sage noch einer, ihr deutschen Kaufleute seid so nüchtern und trocken. Ihr jedenfalls versteht es, einer Frau eine Freude zu machen.«
Während sie mit geradezu obszöner Lüsternheit die Hälfte des Marzipans abbiss, schaute Johannes Zink aus dem Portal hinaus auf die Straße, in der bereits wieder die ersten Sonnenstrahlen erschienen. Dann jedoch der schönen Frau direkt in die Augen. Und auf einmal klappte es mit seinem blauen Blick.
»Was macht Ihr derzeit? Womit vertreibt Ihr Euch den Tag?«
Giulia Farnese sprang eine Stufe hinunter, das Tuch mit dem Marzipanrest in der rechten Hand und hakte sich, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, mit dem linken Arm bei dem fünfzehn Jahre älteren Fuggerfaktor unter.
»Zeigt mir doch, wie Ihr den Tag verbringt.«
Der Geschäftstermin war vergessen, für Johannes Zink etwas Ungeheuerliches, eigentlich Undenkbares. [7]
Es dauerte nicht lange, da verwaltete Johannes Zink auch das Vermögen Giulia Farneses. Alexander hatte ihr einige Legate hinterlassen, nebst einiger Barschaft. Unermessliche Reichtümer besaß sie nicht, es sollte jedoch für einen sorglosen Lebensabend ausreichen. Zumal sie von einem ›richtigen‹, verstorbenen Ehemann ebenfalls geerbt hatte und seit zwei Jahren mit dem Baron Bozzuto verheiratet war. Diese Tatsache hatte sie Zink vorenthalten, als sie das erste Mal das Bett teilten. Und
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