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Der Papstkäufer

Der Papstkäufer

Titel: Der Papstkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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würde das interessieren?« Letzten Endes interessierte es ihn aber doch, zumindest so weit, dass er als erster Bankier der Kurie integer erscheinen wollte, sachlich, ohne Lüste oder geheime Leidenschaften.
    Also überredete er die Frau – die er danach nie wieder sah, das Kind im Hospital Santo Spirito abzugeben. Dort gab es eine steinerne, drehbare Klappentüre, die wie eine Schleuse ausgeführt war, zum Zweck der anonymen Kindsabgabe. Santo Spirito war nicht nur das größte Hospital Roms, sondern auch das größte Heim für Findelkinder. Und seit Einrichtung der steinernen Schleuse, deren Zweck auf einer Marmortafel erläutert wurde, war die Anzahl der Kinder, die dort nachts abgegeben wurden, in gleichem Maße gewachsen, wie die der Kindsleichen, die man aus dem Tiber fischen musste, gesunken war. Die Nonnen von Santo Spirito pflegten die Kinder, bis sie entweder heirateten oder alt genug waren, in die Welt hinaus zu ziehen.
    So war Zinks Problem schnell aus der Welt geschafft.
     
    Es regnete viel in diesem Frühjahr. Alle Römer schimpften auf das Wetter. Nur einige Tage nach dem zufälligen Zusammentreffen mit Martin Luther war Johannes Zink gerade unterwegs an der Piazza della Minerva, im Viertel Pigna. Er kam gerade von Santo Spirito. Neben der Kinderschleuse gab es einen Briefkasten, in dem Geldspenden für die Kinder deponiert werden konnten. Zink tat dies mit schöner Regelmäßigkeit. Nicht aus Mitleid, sondern um sicher zu sein, keinen Ärger mehr zu bekommen. Über die Jahre hatten sich dem ersten Bastard noch drei weitere dieser ›Unfälle‹ hinzu gesellt. Das war allerdings kein Grund für Johannes Zink, die Spendensumme zu erhöhen. Die war seit dem ersten Kind gleich geblieben. Mit erleichtertem Gewissen schritt er so dahin. Er hatte sein bestes Gewand angelegt, ein wichtiges Geschäft galt es nun noch abzuschließen. Da öffnete plötzlich der Himmel seine Schleusen und ließ es schütten. Fette Tropfen klatschten auf seinen Hut und seine samtverbrämten Schultern. Er verfluchte sein Pech. Konnte er derart nass zu seinem Geschäftstermin erscheinen? Oder sollte er vor dem Regen ins nahe gelegene Pantheon flüchten? Jeder hätte Verständnis dafür, wenn man wegen des Wetters einen Termin verschob. Schnellen Schrittes ging er weiter. Unvermittelt stand er vor einer Kirche, die er noch niemals beachtet hatte. Gleich, wie oft er an ihr vorbeigegangen war. ›Santa Maria sopra Minerva‹ stand an der eher unscheinbaren Fassade geschrieben. Eine Kirche der Dominikaner. Das sollte als Zuflucht ausreichen. Er hielt trotz des Regens kurz vor dem Eingangsportal inne und betrachtete eines der dort aufgebrachten Gemälde, das einen Dominikanermönch mit einem Hund zeigte, der eine Fackel im Maul trug.
    »Immer noch die Bluthunde Gottes«, murmelte er, dem dieser Orden immer suspekt gewesen war. Wie alle Menschen, die aus Überzeugung, nicht aus Gier handelten und die insofern unbestechlich waren.
    Links daneben hing eine Tafel, die den Stand des letzten Tiber-Hochwassers anzeigte. Da stünde er jetzt bis zum Hals im Wasser. Zink öffnete das schwere Portal und trat ein. In der Kirche schüttelte er kurz die Regentropfen von seinen kostbaren Kleidern ab, dann verharrte er kurz bei einem Epitaph, der offensichtlich noch recht neu war. ›Andrea Bregno‹ las Zink. Er erinnerte sich. Einer der wichtigsten Künstler Roms war das gewesen, sogar Michelangelo hatte ihn bewundert. Zink hatte ihn flüchtig gekannt. Er war im gleichen Jahr verstorben wie Papst Alexander.
    Und nun lag er hier …
    Die Kirche war innen viel schöner, als von außen anzunehmen war. Zink vergaß für einen Moment, dass er nur hier war, um sich vor dem Regen zu schützen, und ging durch das Kirchenschiff mit dem hohen Kreuzrippengewölbe nach vorne. Ein prächtiges Mosaik einer Madonna auf Goldgrund zierte den rechten Seitenaltar. Er inhalierte die übersinnliche Atmosphäre, die das Bild ausstrahlte, dann sah er die Frau.
    Eine außergewöhnlich schöne, reife Frau von Ende dreißig, sie erinnerte ihn an eine jüngere Ausgabe seiner Freundin Vanozza. Bis auf die Haare, die trug diese engelsgleiche Erscheinung lang und rotblond, in einem geschickten Flechtmuster aus mehreren Zöpfen, die wieder ineinander verflochten waren. Die Kleidung der Dame aus einer vornehmen Familie. Und sie kam ihm bekannt vor, wenn er auch nicht mehr wusste, woher. Zink überlegte kurz, ob diese Frau wohl auch vor dem Regen in die Kirche geflüchtet war. Dann

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