Der Papstkäufer
der geistliche Teil der Prozession, eröffnet von einem weißen Zelter, der auf seinem Rücken den Tabernakel mit dem Allerheiligsten trug. 250 Bischöfen und Prälaten, alle mit Mitra und hoch zu Ross, folgten die Kardinäle auf Pferden, die bis zu den Hufen hinunter mit weißer Seide behängt waren.
Nun kam der Papst höchstpersönlich angeritten. Auf einem weißen türkischen Pferd thronend, winkte er mit der Hand segnend über die unüberschaubare Menschenmenge. »Viva Leone! Viva Leone!«, erscholl es an allen Ecken. Unmittelbar hinter dem Papst ritt sein Camerlengo, an dessen Pferd links und rechts vom Sattelbogen je ein großer Korb befestigt war. Mal griff er nach links in den Korb, mal auf die andere Seite. Und jedes Mal erscholl großer Jubel, wenn die Münzen mit dem Wappen des neuen Papstes in die Menge flogen.
Den Abschluss bildete erneut ein großer Reiterzug.
Auf dem Weg nach dem Lateran näherte sich diese herrlich anzusehende Prozession der Fuggerbank, um bald darauf links ab zum Parione einzubiegen. Beim Näherkommen staunten dann sogar die viel Prunk und Pracht gewohnten Teilnehmer der Parade. Denn bei allem Aufwand, den die anderen Häuser betrieben hatten, hier gab es die wahrhaftige Krönung der Prozession zu bestaunen.
In der Tat war kein Gebäude in Rom prächtiger geschmückt als die Fuggerbank. Zink hatte eigens für Leo X. einen neuen Triumphbogen, noch prächtiger als der für den Rovere-Papst, errichten lassen. Geschmückt in einer Mischung aus Bildern der Antike und Motiven des Christentums, fehlte aber auch die Botschaft nicht, mit Leo X. hoffentlich einen neuen Friedensfürsten auf dem Papstthron zu haben. Und einen Schützer und Gönner von Wissenschaft und Kunst. Die Gläubigen konnten Bilder bewundern von der Taufe Christi durch Johannes und andere Schlüsselszenen der Kirchengeschichte. Die Patronatsheiligen der Medici schauten huldvoll auf die Menge herab. In der Mitte des Bogens prangte das Wappen des Papstes. Tücher und Schmuck waren reichlich angebracht worden. Scheiben mit allegorischen Bildern – Fischer am Bach, ein Glücksrad, das Fortuna oben hielt, Wortspielereien mit dem Namen Leo –, weitere Bilder zu Künsten, Wissenschaft und Gewerbe. An der Fassade des Hauses der Fuggerbank prangte überdies in großen Lettern die Inschrift:
›Hominumque Deique consensu felix Romanorum imperium.
Sapiens dominator virtuibus omnibus januam aperiens.‹
Sinngemäß in etwa:
›Mensch und Gott in einem, im vom Glück begünstigten Römischen Reich.
Der weise Herrscher öffnet allen die Türen zur Tugend.‹
Geschickt hatte Zink seinen Triumphbogen genau am Schnittpunkt von Hin- und Rückweg der Prozession errichten lassen, am einzigen Punkt, den der neue Papst zweimal passierte. Er hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Der Triumphzug – angeblich der üppigste Festzug der gesamten Renaissance, machte denn auch tatsächlich ausgiebig Halt vor dem Bogen, wie auch vor der Fuggerbank, und zeigte der staunenden römischen Öffentlichkeit die Wertschätzung des neuen Papstes für das schwäbische Unternehmen. Und mit seinem Spruch hatte Zink umsichtig das Dilemma gelöst, einerseits als päpstlicher Münzmeister dem Papst ergeben zu sein, andererseits als immer noch kaiserlicher Untertan nicht zu unterwürfig daherzukommen. Der Triumphbogen und die Inschrift sagten alles, in Wirklichkeit jedoch nichts aus.
Der Zug zog irgendwann weiter zum Lateranpalast, wo Leo X. Besitz von seiner neuen Residenz ergriff, bevor die Prozession sich auf den Rückweg machte. Dabei bog sie beim Palazzo Massimi zum Campo de Fiori ab. Es wurde dunkel, Kerzen und Fackeln wurden entzündet. Der Zug verwandelte sich in ein wunderbar anzusehendes Meer aus Flammen. Die meisten Römer wünschten, dieser Tag möge kein Ende nehmen. Auch Leo X. dachte so. Er war mit sich im Reinen. So ließ sich das Pontifikat genießen.
Kein Missklang hatte die Prachtentfaltung behindert, nichts hatte die Prozession gestört.
Diese sollte, wenn es nach Leo ging, jedoch erst der Anfang der päpstlichen Prachtentfaltung sein. Feinsinniger Lebensgenuss und Verehrung der Kunst und der Musen sollten von nun an im Zentrum des Vatikans stehen. Ohne Rücksicht auf die Kosten. Die kirchliche Lehre war Nebensache.
Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, dass dies die in dieser Art letzte ungestörte Amtseinführung eines Papstes gewesen sein sollte.
Die Reformation stand vor der Türe.
Und fast alle, die sie mit verursachen
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