Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
probier mal aus, ob es passt. Über den Zeige- und Mittelfinger. Vorsicht, es ist sehr scharf. O ja, ich glaube, es sitzt ziemlich gut.«
Fatima ballte die Hand zur Faust, drehte sie zu sich um und betrachtete sie einen Moment lang. »Wow.«
»Siehst du? Klein und gut zu verstecken, leicht erreichbar, und man kann es einem kaum wegnehmen. Diese Arschlöcher hatten Glück heute Abend, was? Dass die beiden anderen Männer kamen, um sie zu retten.«
Fatima lachte und gab ihr das Messer zurück. Sie hielt es ihr mit der Schneide voran hin, was jemand, der Erfahrung mit Messern hat, nie tun würde.
Die Kellnerin brachte ihren Wein. Delilah lehnte das Angebot ab, ihnen etwas einzuschenken. Sie wollte erst nur ganz wenig haben. Der Rest sollte atmen können.
»Trotzdem, was glaubst du, wer das war?«, fragte sie, während sie einen kleinen Schluck in jedes Glas goss. »Ein Kerl mit einem Messer, der andere mit einem Schlagstock … vielleicht Undercover-Polizisten? Aber warum hätten sie dann sagen sollen ›Polizei nix gut‹?«
Sie spielte bewusst die Ahnungslose. Unmöglich hätten diese Männer Cops sein können. Ein Polizist trug vielleicht einen Schlagstock, aber er hätte nicht ohne Warnung so zugeschlagen. Und sie hatte noch nie einen Cop gesehen, der jemandem ein Messer an die Kehle hielt, um ihn gefügig zu machen. Oder einen Verbrecher verscheuchte, ohne einen Versuch zu machen, ihn zu verhaften.
»Ich weiß nicht, wer das war«, sagte Fatima und griff nach ihrem Glas. »Aber ich bin froh, dass sie aufgetaucht sind.«
Zum zweiten Mal hatte Delilah das Gefühl, dass Fatima nicht die Wahrheit sagte. Sie wollte nachdenken, die Dinge verarbeiten. Aber das musste bis später warten.
Sie stießen an und tranken. »Wow«, sagte Fatima. »Du hast die Ehre deines Vaterlands gerettet. Selbst wenn du keinen französischen bestellt hast.«
Delilah lachte. »Schmeckt er dir?«
»Er ist köstlich.«
»Ja, der 2007er war der Traum jedes Winzers. Ein warmes, trockenes Frühjahr, keine Hitzewellen während der Sommermonate, sodass die Trauben langsam und gleichmäßig reifen konnten. Jeder ehrliche französische Winzer muss den Hut ziehen vor diesem Wein.«
Fatima, die von der überstandenen Gefahr offenbar immer noch wie aufgezogen war, hatte bald ausgetrunken. Delilah tat es ihr nach und schenkte ihnen noch ein Glas ein. Der Wein breitete sich herrlich warm in ihrem Bauch aus, und sie fühlte eine leichte, angenehme Unschärfe am Rand ihrer Wahrnehmung.
Sie machten es sich Seite an Seite auf der Couch bequem. Die Atmosphäre voll Gelächter und Gesprächen war wohltuend heiter, ein Kokon warmer Laute, der ihr Ende der Couch wie ein persönliches, intimes Refugium vor der Welt erscheinen ließ.
»Darf ich dich etwas fragen?«, sagte Delilah, während sie an ihrem Wein nippten. »Nicht für das Interview. Nur als Freundin.«
Fatima sah sie mit leicht verschwommenem Blick an. »Natürlich.«
»Als du vorhin gesagt hast: ›Das ist die Wahl, die sie uns aufzwingen‹, wie hast du das gemeint?«
Fatima trank einen Schluck. »Ich habe gemeint … wenn dir jemand wehtut, wirklich wehtut, sodass es nicht wiedergutzumachen ist, dann musst du dich doch wehren, sonst stirbst du innerlich.«
»Sich wehren … du meinst, ihm auch wehtun?«
»Manchmal bedeutet es das. Wie bei diesen Männern heute Abend. Wünschst du dir jetzt nicht, ihnen wehtun zu können?«
»Nein. Der eine Kerl, der den Schlagstock abbekommen hat, dem tut vielleicht nie wieder etwas weh. Ich weiß nicht.«
»Ja. Und warum willst du ihnen nicht wehtun? Sie hätten uns ganz sicher etwas angetan.«
»Aber sie haben es nicht.«
»Wieder ja. Und dieser Mann – ich setze voraus, dass es ein Mann war –, der dich in Paris überfallen hat: Wünschst du dir, ihm wehtun zu können?«
»Nein.«
»Weil du, wie du sagst, Glück hattest. Er hat dich nicht verletzt. Aber was, wenn doch? Was, wenn er dich vergewaltigt hätte? Was, wenn er deine Schwester oder deinen Bruder vergewaltigt hätte? Würdest du ihm dann auch nichts antun wollen?«
»Ich würde ihn umbringen wollen.«
»Und was, wenn er dich für die Vergewaltigung verantwortlich gemacht hätte? Weil du ihn provoziert hättest, weil du es so wolltest?«
»Das wäre noch schlimmer.«
»Dann kannst du dir vielleicht vorstellen, wie es für Familien wie die meine ist. Erst denkst du, es könnte nichts Schlimmeres geben, als dass Amerika deine Brüder, deine Schwestern, deine Kinder mit Drohnen
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