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Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Titel: Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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etwas sehr Privates betrachtete. Das legte den Gedanken nahe, dass sich darauf etwas befand, was der Mühe wert war. Das Problem war, dass ihr Aufenthalt nur vier Tage dauerte und die Zeit knapp wurde.
    Am vierten und letzten Tag aßen sie früh zu Abend und schlenderten anschließend zur Open Air Bar über der Lagune, um etwas zu trinken. Sie trugen Sarongs, Bustiers mit Nackenträgern und Sandalen, die sie in einem Laden der Anlage erstanden hatten, die perfekte Aufmachung für einen Abend im Paradies. Delilah war sich bewusst, dass die Uhr lief und was ihr Versagen für Fatima bedeuten würde, doch sie schob diese Gedanken beiseite. Irgendetwas würde ihr schon noch einfallen. Sie spürte, dass sich in ihrem Kopf bereits etwas zu formen begonnen hatte, eine Idee, eine Strategie, aber sie entglitt ihr immer wieder. Sie musste sich einfach entspannen und ihren Geist öffnen.
    Sie setzten sich auf eine Couch mit Blick auf den Sonnenuntergang, und Delilah bestellte eine Flasche Bordeaux. Fatima war schweigsamer als sonst. Delilah, angenehm beschwipst von dem Wein, den sie zum Abendessen getrunken hatten, und verzaubert von den Gelb- und Rosatönen des Himmels, fiel es zunächst nicht auf. Erst als die Sonne hinter dem Horizont versank, fragte sie sich, was Fatima beschäftigte. Sie stieß sie sachte mit der Schulter an und fragte: »Was ist los?«
    Fatima sah sie an. In der Glut des schwindenden Sonnenlichts war ihr Ausdruck ernst und geheimnisvoll. Delilah wünschte sich, sie hätte ihre Kamera dabei.
    »Tut mir leid«, meinte Fatima. »Manchmal werde ich in den unpassendsten Momenten traurig. Es ist eine schlechte Angewohnheit, die ich irgendwann abzulegen hoffe.«
    Delilah war neugierig. »Nein, kein Grund, dich zu entschuldigen. Und ich finde, es ist keine Angewohnheit, jedenfalls ist sie mir bis jetzt nicht aufgefallen. Warum sagst du das?«
    Ein langer Augenblick verstrich, dann erwiderte Fatima: »Seit dem, was meiner Familie angetan wurde, kann ich ein ziemlich launisches Miststück sein. Traurig. Deprimiert. Voller Schuldgefühle. Zornig. Manchmal, wenn es mir richtig gut geht wie jetzt, dann wird mir plötzlich besonders intensiv bewusst, was uns zugestoßen ist. Oder was uns genommen wurde.«
    »Ja. So ging es mir auch lange Zeit nach dem Tod meines Bruders. Und meine Eltern … für meine Eltern hat es nie aufgehört.« Wie bei allen guten Lügen handelte es sich um neu arrangierte Fakten. Der emotionale Kern entsprach der Wahrheit.
    »Wie lange blieb es bei dir so?«
    »Das erste Jahr war das schlimmste. Danach ging es sicher noch etwa vier Jahre so weiter. Jetzt passiert es nur noch gelegentlich. Und es stört mich eigentlich nicht mehr wirklich. Ich fühle mich dann, als wäre ich … ich weiß nicht … immer noch verbunden mit ihm. Es ist wie eine ganz besondere Erinnerung, die ich an einem sicheren Ort aufbewahren, aber zu bestimmten Anlässen hervorholen und hegen und pflegen muss, selbst wenn mich das traurig macht.«
    Einen Moment lang war Fatimas Ausdruck so wehrlos, dass Delilah tief berührt war. Ihre Augen waren groß, die Lippen leicht geöffnet … selbst ihre Pupillen waren geweitet. »Ja«, sagte sie. »Genauso ist es.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ist es für dich ganz anders. Dein Verlust ist noch so frisch.« Sie spürte, dass sie hier ansetzen konnte. »Was ist mit deinem anderen Bruder? Steht ihr euch nahe?«
    »Wir … früher schon. Ich habe ihn eine ganze Weile nicht gesehen.«
    »Aber steht ihr nicht in Kontakt?«
    »Manchmal.«
    Die Antworten klangen verhalten. Sie fragte sich, ob das nicht eine Form der Ehrlichkeit war. Wenn Fatima ihren Bruder wirklich schützen wollte, hätte sie ihr eine nichtssagende Deckgeschichte aufgetischt, die keine Fragen offen ließ. Es war nicht leicht zu entscheiden, ob sie weiter nachhaken sollte, aber Delilah beschloss, es bleiben zu lassen. Die beste Chance bot der Laptop. Wenn sie Fatima misstrauisch machte, indem sie zu viele Fragen nach ihrem Bruder stellte – wobei ihre Neugier sich höchstwahrscheinlich ohnehin als fruchtlos erweisen würde –, verbaute sie sich vielleicht die Möglichkeit, ihr Hauptziel zu erreichen.
    Ihr wurde klar, dass es jetzt nur noch um den Laptop ging. Fatima konnte ihr sonst etwas über ihren Bruder erzählen, aber wenn Delilah dieses Passwort nicht bekam …
    Sie wollte gar nicht darüber nachdenken.
    Abermals wünschte sie sich, sie hätte ihre Kamera dabei. Das Licht war so erlesen, und Fatima mit ihrem

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