Der Partner
orangefarbenen Kittel hielt sich in der Nähe der Tür auf.
Sie waren als Team gekommen, und während der nächsten fünfzehn Minuten spulten sie ihr komplettes Pflegeprogramm ab. Er schloss die Augen und ließ es einfach über sich ergehen. Sie verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Patrick und seine Mutter hatten ein tränenreiches Wiedersehen. Er entschuldigte sich nur einmal, für alles. Sie nahm seine Entschuldigung liebevoll an und verzieh ihm, wie nur Mütter es können. Ihre Freude darüber, ihn wiederzusehen vertrieb allen Groll und all die Bitterkeit, die sich in den letzten vier Tagen bei ihr eingeschlichen hatten. Joyce Lanigan war achtundsechzig Jahre alt, bei relativ guter Gesundheit. Sie litt lediglich unter zu hohem Blutdruck. Ihr Mann, Patricks Vater, hatte sie zwanzig Jahre zuvor einer jüngeren Frau wegen verlassen und war dann prompt an einem Herzinfarkt gestorben. Weder sie noch Patrick nahmen an seiner Beerdigung in Texas teil. Seine zweite Frau war zu jener Zeit schwanger. Ihr Kind, Patricks Halbbruder, ermordete zwei Undercover-Agenten der Drogenfahndung, als er siebzehn Jahre alt war, und saß jetzt in Huntsville, Texas, in der Todeszelle.
Dieses kleine Stück schmutziger Familiengeschichte war in New Orleans und Biloxi unbekannt.
Patrick hatte es Trudy im Verlauf ihrer vierjährigen Ehe nie erzählt. Und Eva auch nicht. Weshalb hätte er es auch tun sollen?
Welch grausame Ironie des Schicksals. Beide Söhne von Patricks Vater waren jetzt des Mordes angeklagt. Einer war bereits verurteilt worden. Der andere war auf dem besten Wege dahin.
Patrick ging gerade aufs College, als sein Vater verschwand und dann starb. Seiner Mutter fiel es sehr schwer, sich mit dem Leben einer geschiedenen Frau in mittleren Jahren zu arrangieren; sie hatte keinen Beruf erlernt und noch nie irgendwo gearbeitet. Das Scheidungsurteil gestattete ihr, das Haus zu behalten und sprach ihr so viel Geld zu, dass es für ein Leben ohne größere Ansprüche reichte, ohne dass sie sich einen Job suchen musste. Gelegentlich arbeitete sie als Aushilfslehrerin in einer nahegelegenen Grundschule. In der Regel zog sie es aber vor daheim zu bleiben, ein bisschen im Garten zu arbeiten, sich Seifenopern anzuschauen und mit den alten Damen aus der Nachbarschaft Tee zu trinken.
Patrick hatte seine Mutter immer als zutiefst deprimierend empfunden, zumal nach dem Verschwinden seines Vaters, ein Ereignis, das ihn nicht sonderlich belastet hatte weil dieser ohnehin kein guter Vater gewesen war. Und auch kein guter Ehemann. Patrick hatte seiner Mutter zugeredet, sie solle aus dem Haus gehen, sich einen Job suchen, eine Aufgabe, ein bisschen leben. Sie hätte doch die Möglichkeit, einen neuen Anfang zu machen.
Aber sie hatte ihr Unglück zu sehr genossen. Im Laufe der Jahre, in denen Patrick von seiner Arbeit als Anwalt immer stärker in Anspruch genommen wurde, hatte er immer weniger Zeit mit ihr verbracht. Er zog nach Biloxi, heiratete eine Frau, die seine Mutter nicht ausstehen konnte, und so weiter und so weiter.
Er erkundigte sich nach Tanten, Onkel und Vettern, Leute, zu denen er schon lange vor seinem Tod jeglichen Kontakt verloren hatte; Leute, an die er in den letzten vier Jahren kaum gedacht hatte. Jetzt fragte er nur, weil es von ihm erwartet wurde, dass er fragte. Den meisten von ihnen ging es gut.
Nein, er wollte niemanden von ihnen sehen.
Ihnen läge sehr viel daran, ihn zu besuchen.
Merkwürdig. Früher hatten sie ihn nie besuchen wollen.
Sie würden sich große Sorgen um ihn machen.
Auch merkwürdig.
Sie unterhielten sich zwei Stunden lang angeregt und verloren schnell das Gefühl für Zeit. Sie machte ihm Vorwürfe wegen seines Gewichts. »Kränklich« war ihr.
Sie wollte alles über sein neues Kinn, seine neue Nase und sein dunkles Haar wissen. Sie sagte alle erdenklichen, für Mütter typischen Dinge, dann machte sie sich auf die Rückreise nach New Orleans.
Er versprach, mit ihr in Verbindung zu bleiben.
Das hatte er ihr immer versprochen, dachte sie, als sie davonfuhr. Aber gemeldet hatte er sich nur selten.
FÜNFZEHN
Von einer Suite im Hay-Adams-Hotel aus operierend brachte Stephane den Vormittag damit zu, am Telefon mit vielbeschäftigten Managern Katz und Maus zu spielen. Es war leicht gewesen, Benny Aricia davon zu überzeugen, dass er in Gefahr war, vom FBI verhaftet zu werden, dass man ihn fotografieren, seine Fingerabdrücke abnehmen und ihn unter Druck setzen würde. Etwas völlig
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