Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
wichtige Sache, um die ich mich kümmern muß.«
    »Verstehe.«
    Sie glaubte verständlicherweise, Sartaj habe das Geld eingestrichen und sich seiner Verantwortung entzogen, und das gefiel ihr nicht. »Keine Sorge, Madam«, sagte er. »Heute abend kümmern wir uns um ihn.«
    »Okay.«
    »Nein, wirklich, tut mir sehr leid. Aber heute abend knöpfen wir ihn uns vor.« Er meinte es ernst: Umesh würde eine willkommene Abwechslung sein. Sartaj hatte die gesamte Werbung an den Abteilwänden studiert, dann hatte er sein Notizbuch hervorgeholt und sein Gekritzel von vor zwei Monaten gelesen, nur um nicht daran denken zu müssen, was er für Iffat-bibi tun mußte. Ja, er würde sich mit dem Piloten befassen. »Etwas Unaufschiebbares ist dazwischengekommen, Madam«, sagte er, »aber jetzt kriegen wir ihn.« Und er blickte auf die vorübergleitenden Häuser hinaus, die Lücken zwischen ihnen, in denen plötzlich ein gelblicher Himmel auftauchte.

    Um halb zehn hämmerten Sartaj und Kamble bei dem Piloten an die Tür. Er saß mit seinen Eltern und seinen drei Schwestern beim Abendessen, Kinder rannten umher, und es roch nach Reis und Daal. Sein Vater, ein beleibter alter Herr in Banian und blau gestreiften Pajamas, erschien hinter dem Dienstmädchen in der Tür und fragte ärgerlich: »Was ist los? Wer sind Sie? Was soll der Lärm?«
    »Polizei«, knurrte Kamble und schob sich an den beiden vorbei.
    Sartaj folgte ihm etwas gemächlicher und betrachtete das harmonische Bild, das sich ihm bot. Zwei der Schwestern waren älter als Umesh. Sie trugen elegante Salvar-kamiz' und schienen höchst respektabel verheiratet. Die dritte war jünger, vielleicht im Collegealter. Die Familienähnlichkeit kam sichtlich von der Mutter, war aber ungleichmäßig über die nachfolgende Generation verteilt. Eine der Schwestern, die älteste, war trotz überzähliger Pfunde an Armen und Hüften einigermaßen hübsch, die beiden anderen sahen recht gewöhnlich aus. Der Pilot war eindeutig der Star der Familie, der strahlende Held seiner Mutter, einer sehr schönen Frau. Sie hatte ein langes, schmales Gesicht und glattes weißes Haar, das sie klugerweise nicht färbte. Sie war außer sich. »Was?« fragte sie. »Polizei?«
    »Beruhige dich, Ma«, beschwichtigte Umesh und streichelte ihr Handgelenk. »Das sind Freunde von mir.«
    Kamble stieß ein so theatralisches Bösewichtlachen aus, daß die jüngste Schwester zusammenfuhr und die Arme vor der Brust verschränkte. »Allerdings«, sagte Kamble, »wir sind ganz besonders gute Freunde von Umesh. Wir sind seine Langotiya yaars. Wir wissen alles über ihn.«
    Umesh war aufgestanden und versuchte Sartaj und Kamble vom Eßtisch wegzulotsen, weg von seiner Familie. Er klopfte Sartaj auf die Schulter und lächelte. »Freut mich, Sie zu sehen, Sartaj-saab. Hier entlang, bitte.« Er wirkte ruhig und selbstsicher, ohne einen Hauch von Nervosität.
    In seinem Heimkino schloß er eine weiße Tür und schob den Riegel vor. Der Raum war groß genug für ein weißes Bett und einen Halbkreis aus fünf oder sechs schwarzen Ledersesseln. Der Projektionsschirm nahm eine ganze Wand ein. »Was wollen Sie?« fragte Umesh. Er war so klug, nicht grob zu werden, aber es klang schroff.
    Kamble hatte die Hand in die Seite gestemmt und schob den Kopf vor. Das aufgeregte Geschnatter von nebenan war schlagartig verstummt. Es war jetzt vollkommen still, nicht einmal die Autos waren zu hören, deren Scheinwerfer über das Fenster glitten.
    »Ja.« Der Pilot war verwirrt und sehr gespannt. »Ich stelle den Ton gern ganz laut, wenn ich mir einen Film anschaue. Ich hab ein Supersoundsystem. Wenn auf dem Bildschirm ein Flugzeug abstürzt, spürt man das richtig.« Er versuchte sein jungenhaftes Lächeln aufzusetzen.
    Kamble schlug ihn ins Gesicht. »Haben Sie das gehört? Ja? Haben Sie's gehört?«
    Eine Hand des Piloten fuhr an seine Wange, die andere ballte sich vor seiner Brust zur Faust. Er war beleidigt. Vermutlich war er noch nie geschlagen worden, nicht einmal von seiner Mutter. Kamble wartete, sprungbereit, lauerte auf eine aggressive Bewegung, einen Fluch, irgend etwas. Doch Umesh hatte sich unter Kontrolle. »Was meinen Sie damit?« fragte er. Er senkte die Hände und drückte in gerechter Empörung die Brust heraus. »Was ist denn mit dem los?« wandte er sich an Sartaj.
    Sartaj hatte die winzigen weißen Lautsprecher hoch oben an den Wänden betrachtet, die zweifellos vollen Surroundsound lieferten. Er grinste. »Er ist

Weitere Kostenlose Bücher