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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ungehobelte öffentliche Angestellte wie Hoker und Doresh – ihren Beruf aus dem Abfall.
    Er schaffte es, sich von einem Schleimpfropf in der Kehle zu befreien und ihn in den Korb zu spucken. Er nahm die Plastiktüte heraus, brachte sie auf die Herrentoilette, warf sie in den Abfall, kehrte in sein Büro zurück, schloss die Tür ab und blätterte in seinem Adressbuch.
    Er fand die Nummer und wählte sie.
    Als Detective Doresh sich mit »Morddezernat« meldete, sagte Jeremy: »Ich hab mich gefragt, wie eine Schwarze wohl an einen Namen wie Mazursky kommt.«
    »Wer ist … Dr. Carrier? Was ist los?«
    »Es kam mir merkwürdig vor«, sagte Jeremy.
Es kam mir zutiefst verstörend vor.
 »Dann dachte ich: Vielleicht hat sie einen anderen Namen benutzt. Prostituierte tun das nämlich. Ich habe das erlebt – wir behandeln sie hier im Krankenhaus, sie kommen mit Geschlechtskrankheiten, unspezifischen Entzündungen der Harnorgane, Unterernährung, Zahnschmerzen, Hepatitis C. Eine Frau kann so fünf verschiedene Krankenblätter haben. Wir erwarten nicht viel in Form einer Rückerstattung, aber wir versuchen, die Behandlungskosten dem Staat gegenüber geltend zu machen, weil uns die Verwaltung dazu anhält. Doch bei Prostituierten ist es meistens vergeblich, weil sie so rasch andere Namen annehmen. Sie tun das, um die Gerichte irrezuführen – damit sie nichts von früheren Festnahmen erfahren. Also hat sie vielleicht das getan. Tyrene Mazursky. Vielleicht hatte sie ja mehr als eine Identität.«
    »Ein Deckname«, sagte Doresh langsam. »Glauben Sie, dass wir daran nicht gedacht haben?«
    »Ich … ich bin sicher, dass Sie daran gedacht haben. Es kam mir nur eben in den Sinn.«
    »Ist Ihnen noch was in den Sinn gekommen, Doc?«
    »Nein, sonst nichts.«
    Schweigen. »Gibt es noch etwas, was Sie mir sagen wollen, Doc?«
    »Nein, das ist alles.«
    »Weil ich jetzt nämlich zuhöre«, sagte der Detective.
    »Tut mir Leid, wenn ich Sie belästigt habe«, entgegnete Jeremy.
    »Tyrene Mazursky«, sagte Doresh. »Komisch, dass Sie auf sie zu sprechen kommen, weil ich gerade den Abschlussbericht von ihrer Autopsie bekommen und hier vor mir liegen habe. Nicht schön, Doc.
Noch ein
extremer Fall von Nicht-schön. Eine Art von Humpty-Dumpty-Situation.«
    Der Detective ließ die Botschaft ihre Wirkung tun. Keine Chance, sie wieder zusammenzusetzen …
noch einer …
das Gleiche war Jocelyn widerfahren.
    Fast hätte er aufgeschrien. Er holte tief Luft und sagte: »Das ist furchtbar.«
    »Tyrene Mazursky«, sagte Doresh. »Es hat sich rausgestellt, dass sie vor einigen Jahren mit einem Polen verheiratet war, einem Fischer. Einer von den Typen, die mit Netzen raus auf die Seen fahren und alles reinholen, was drin hängen bleibt. Außerdem gehörte er zu einer dieser Crews, die nach versunkenen Baumstämmen Ausschau halten – hundert Jahre alten Stämmen, die von den Flussschiffen runtergefallen sind. Tolles Ahornholz, aus dem man Geigen macht. Jedenfalls war dieser Typ ein echter Säufer. In einem Winter vor ein paar Jahren ist er gestorben, als sein Schiff gekentert ist, und hat sie völlig mittellos zurückgelassen. Schon davor hat sie ein bisschen rumgehurt, da er die ganze Zeit unterwegs war und seinen Lohn versoffen hat. Nach seinem Tod hat sie richtig angefangen. Es zu ihrem Beruf gemacht, sozusagen.«
    Als Jeremy hörte, wie Tyrene Mazurskys Leben auf diese Weise reduziert wurde, wurde ihm kalt ums Herz, und er wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Hände begannen zu zittern.
    »Arme Frau«, sagte er.
    »Traurige Geschichte«, pflichtete Doresh ihm bei. »Ich schätze, da kennen wir uns beide aus, was? Schönen Tag auch, Doc.«
    Jeremy legte den Hörer auf. Stellte sich vor, wie Tyrene Mazursky im Hafen anschaffte. Auf das große Los wartete.
    Jocelyn. Wie sie auf ihrer Station arbeitete, an jenem Abend darauf wartete, sich mit Jeremy zu treffen.
    Männer besorgen es Frauen. So ist es nun mal.
    Er saß in Schweiß gebadet da, mit einem üblen Geschmack im Mund, und sah zu, wie der Abend den Lichtschacht vor seinem Fenster allmählich dunkler werden ließ.
    Schließlich nahm er den Hörer wieder in die Hand und gab die Nummer einer Nebenstelle ein.
    »Chess«, dröhnte eine vertraute Stimme.
    »Ich bin’s, Jeremy. Wie sich rausgestellt hat, kann ich Freitag doch.«

13
    Am Donnerstagnachmittag fand Jeremy eine handschriftliche Nachricht in seinem Postfach, nach rechts geneigte Schrift, schwarze Tinte auf schwerem blauem

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