Der Pathologe
lachen ja gar nicht«, sagte Doresh.
»Wenn Sie mir was Lustiges erzählen, lache ich bestimmt.«
»Ja, Sie haben Recht, Doc. Das war geschmacklos. Wir neigen manchmal dazu – im Umgang mit der so genannten dunklen Seite des Lebens. Um den Stress zu lindern, das können Sie sicher verstehen.«
»Das tue ich«, sagte Jeremy. »Vielen Dank für Ihr …«
»Ms. Banks«, sagte Doresh. »Sie hat mit Alzheimer-Patienten gearbeitet. Mit allen möglichen Patienten, die … wie nennt man das noch gleich … kognitive Probleme haben?«
»Das stimmt.«
»Ich habe gehört, manche Leute im Krankenhaus machen Witze darüber. Nennen es ›den Gemüsegarten‹. Klingt so, als ob ihr euch gar nicht so sehr von uns unterscheidet. Die Leute müssen irgendwie damit fertig werden.«
»Das müssen sie …«
»Wie werden Sie damit fertig, Doc? Geht’s Ihnen ansonsten gut?«
»Ansonsten?«
»Abgesehen davon, dass Sie sich über das Beweismaterial Gedanken machen?«
»Oh, klar doch«, sagte Jeremy. »Das Leben ist echt Spitze.«
Er legte auf, blieb zitternd sitzen und war immer noch ein bisschen wacklig, als er den Gang hinunter zu seinem Postfach ging.
Vollkommen irrational, Doresh anzurufen. Was hatte er sich davon versprochen?
Der zweite Artikel hatte ihm einen Schock versetzt. Hatte es ihm unmöglich gemacht, es als einen Zustellungsfehler abzutun. Aber wenn er sich nun geirrt hatte und irgendein Trottel den gleichen Fehler zweimal gemacht hatte?
Sezieren … selbst wenn jemand tatsächlich irgendwelche Spielchen mit ihm spielte, konnte es keine ernsthafte Verbindung zu Jocelyn geben.
Konnte es Arthur sein?
Jeremy sah vor seinem geistigen Auge, wie der alte Mann Umschläge für die hausinterne Post und andere Krankenhausartikel in seinem modrigen, alten viktorianischen Haus stapelte.
Pensioniert, aber immer noch am Ball.
Dinge zu horten passte zu Arthurs Kleidung, seinem Wagen, seinen zahlreichen Erinnerungen. An alten Dingen festzuhalten.
In der Vergangenheit zu leben. Die Unfähigkeit, loszulassen.
Jeremy schwor sich, den alten Mann und die Briefumschläge ein für allemal zu vergessen. Es war Zeit, dass er mit seinem Kapitel weitermachte, das auf wundersame Weise Gestalt anzunehmen schien. Seitdem er den ersten Laser-Artikel erhalten und gemerkt hatte, wie schlecht geschrieben er war – wie plump und aufgeblasen medizinische Fachliteratur in der Regel war –, hatte er beschlossen, es besser zu machen.
Er hatte zwanzig brauchbare Seiten geschrieben, sie überarbeitet und ein gutes Gefühl, was die Fertigstellung betraf.
Es ging voran: mit dem Buch und mit Angela.
Sie hatten sich während der letzten acht Tage nur zweimal gesehen, in beiden Fällen miteinander geschlafen, Wein getrunken, stundenlang geredet und schienen sich auf das angenehme Verhältnis zuzubewegen, das zwei Menschen erleben, wenn die körperliche Chemie sich beruhigt, ohne zu verschwinden.
Ein Gespräch mit Angela über Krankenhausdinge hatte in einem Punkt Klarheit erbracht: Sie war es gewesen, die Dr. Ted Dirgrove seinen Namen genannt hatte.
»Als ich in der Kardiologie war, hielt er uns diesen tollen Vortrag über transmyokardiale Revaskularisation. Dann kam er auf das Thema Angst als Risikofaktor bei einer Operation zu sprechen, und das fand ich für einen Chirurgen bewundernswert.«
»Sich Gedanken über Angst zu machen?«
»Die meisten dieser Kerle sehen doch nicht über den Rand ihrer Skalpelle hinaus. Dirgrove scheint tatsächlich zu begreifen, dass sich am anderen Ende ein menschliches Wesen befindet. Ich habe von deiner Arbeit erzählt – die Fortschritte, die du damit gemacht hast, verängstigte Patienten zu entspannen. Ich habe das Beispiel Marian Boehmer angeführt – meine Lupus-Patientin. Der es übrigens gut geht. Was immer mit ihrem Blutbild los war, es hat sich in Luft aufgelöst. Jedenfalls schien Dirgrove sehr interessiert. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
»Ganz und gar nicht«, sagte Jeremy. »Leider habe ich seiner Patientin nicht groß helfen können.«
»Tatsächlich?«, erwiderte Angela. »Er hat gesagt, du hättest ihr geholfen.«
»Ich glaube, er ist nur liebenswürdig.«
»Vielleicht hast du größeren Eindruck gemacht, als du geglaubt hast.«
Als Jeremy an die kurze Begegnung mit der feindseligen Merilee Saunders zurückdachte, bezweifelte er, dass er etwas anderes erreicht hatte, als ihre Angst in Zorn zu verwandeln.
Andererseits konnte das manchmal eine heilsame Wirkung haben – falls der
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