Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Rücken, und bald schon schniefte sie wieder, und er starrte in die Dunkelheit.
    Eine Stunde später griff sie im Halbschlaf nach ihm. Fand seinen Arm, wanderte mit ihren Fingern tiefer und legte seine Hand auf ihr Geschlecht. Er spürte das elastische Haarbüschel unter dem Baumwollslip. Sie drückte seine Hand nach unten, und er umfing ihr Schambein mit der Handfläche.
    »Mmm«, murmelte sie. »So ähnlich wie.«
    »Ähnlich wie was?«
    Ihre Antwort bestand in einem Schnarchen.
    Am Morgen war die Kraft des Fiebers gebrochen, und sie erwachte verschwitzt und zähneklappernd unter zwei Decken, die sie bis zum Hals hochgezogen hatte.
    Ihre langen Haare waren durcheinander, ihre Augen verquollen, und zwischen Nase und Oberlippe waren Spuren von getrocknetem Rotz zu erkennen. Jeremy säuberte sie mit einem feuchten Lappen, presste ihr ein kühles Handtuch auf die Stirn, nahm ihr Gesicht in seine Hände und streifte ihre Wange mit den Lippen. Ihr Atem roch säuerlich wie verdorbene Milch, und ihr Gesicht war mit kleinen roten Punkten übersät. Punktförmige Hautblutungen – Andenken an die krampfartigen Hustenanfälle. Sie sah aus wie ein bekiffter, verwirrter Teenager, und Jeremy empfand das starke Bedürfnis, sie in die Arme zu schließen.
    Um neun Uhr hatte sie sich mit einem Schwamm abgerieben und ihr Haar zurückgebunden, und ihre Infektion war eindeutig auf dem Rückzug. Jeremy machte ihr einen Pfefferminztee, duschte in ihrer Kabine mit den gesprungenen Kacheln, rieb sich ihr Deodorant in die Achselhöhlen und zog sich die Sachen von gestern wieder an. Er hatte Patienten von zehn bis vierzehn Uhr und hoffte, er würde sich nicht im Lauf des Tages zu einer Geruchsbelästigung entwickeln.
    Als er wieder in ihr Schlafzimmer kam, sagte sie: »Du siehst gut aus. Ich sehe furchtbar aus.«
    »Du bist physisch gar nicht in der Lage, furchtbar auszusehen.«
    Sie zog einen Schmollmund. »So ein netter Mann, und jetzt lässt er mich allein.«
    »Ich kann noch ein bisschen hier bleiben.«
    »Danke«, sagte sie. »Das meine ich gar nicht.«
    »Was dann?«
    »Ich möchte mit dir schlafen. Hier drin.« Sie klopfte sich auf die linke Brust. »Aber hier unten kann ich nicht. Ihr Kerle nennt das wie … kognitive Dissonanz?«
    »Nein«, sagte er, »nur Frustration. Werd wieder gesund, Liebling. Wir haben viel Zeit.«
    Sie schniefte, griff nach einem Papiertaschentuch, putzte sich die Nase. »Das sagst du so. Manchmal kommt es mir vor, als hätten wir gar nicht viel Zeit.«
    Nein, haben wir auch nicht.
    Plötzlich musste er an Jocelyn denken. An ihr Gesicht, ihre Stimme, die Art, wie sie ihn in den Armen hielt.
    »Hab ich was Falsches gesagt?«, fragte Angela.
    »Natürlich nicht.«
    »Dein Gesicht hat sich verändert – nur für einen Augenblick. Als ob du über etwas erschrocken wärst.«
    »Nichts hat mich erschreckt«, sagte er. »Ich mache dir noch einen Tee, bevor ich gehe.«
    Er machte den Tee, erwärmte eine Dose Tomatensuppe, küsste sie auf die Stirn, die jetzt erfreulich kühl war, und fuhr ins Krankenhaus.
    Er kam sich … häuslich vor.
    Bei Jocelyn war er sich nie häuslich vorgekommen.
    Die nachmittägliche Hauspost brachte ihm jede Menge Unsinn. Und den vierten Umschlag von der Otolaryngologie.
    Und: Durch die normale Post erhielt er eine Postkarte von Arthur.
    Der Artikel war zehn Jahre alt und stammte aus dem
Journal of the American Medical Association
. Selbstmord von Ärzten. Risikofaktoren, Statistik, empfohlene Vorbeugungsmaßnahmen.
    Sinnvolle Informationen, aber nichts, was Jeremy nicht schon mal gehört hatte. Doch das spielte keine Rolle, nicht wahr? Das hier hatte nichts mit Weiterbildung zu tun.
    Womit es etwas zu tun hatte, war ihm schleierhaft.
    Das Bild auf Arthurs Ansichtskarte stellte eine Küche aus dem achtzehnten Jahrhundert dar, die voller Töpferwaren und eiserner Haushaltsgeräte war. Die Legende auf der Rückseite lautete:
Le Musée de l’Outil. Das Museum der Werkzeuge. Wy-dit-Joli-Village, 95240 Val d’Oise
.
    Vertraute Kursivschrift mit schwarzer Tinte, die Botschaft nicht überraschend:
      
Lieber Dr. C …
    Auf jeder Reise lerne ich dazu.
    A.C.
    Jeremy kontrollierte den Poststempel.
Wy-dit-Joli, France,
vor drei Tagen. Seitdem konnte Arthur in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt sein.
    Er rief im Büro des alten Mannes an. Niemand meldete sich.
    Die Sekretärin der Pathologie sagte: »Nein, er ist nicht da.«
    Er rief die Auskunft an und ließ sich die Nummer von Arthurs

Weitere Kostenlose Bücher