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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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blöd.«
    Dirgrove hatte sie angemacht. Heftig.
    Es war gerade erst passiert – vor zwanzig Minuten –, und zwar in Dirgroves Büro. Seitdem hatte sie wie vom Donner gerührt im Umkleideraum der Ärztinnen gesessen und schließlich die Energie aufgebracht, Jeremy anzurufen.
    Dirgrove hatte es sorgfältig vorbereitet und sie zu sich eingeladen, um mit ihr über die Nachwirkungen einer Bypass-Operation am Herz zu sprechen.
    Etwas, das Sie als Ärztin wissen sollten, Dr. Rios.
    Als sie in seinem Büro erschien, begrüßte er sie herzlich, aber formell, blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen und zeigte auf die Zeitschriftenartikel, die er für sie in einer ordentlichen Reihe ausgelegt hatte. Lesezeichen markierten die Seiten, die er für beachtenswert hielt.
    Als sie sich hinsetzte, begann er mit einem Vortrag über die Betreuung von Patienten und wies sie dann an, sich einen Artikel genauer anzusehen. Seine Krawatte war fest gebunden, und er roch frisch geduscht. Als Angela anfing zu lesen, kam er um seinen Schreibtisch herum und gab sich den Anschein, als wolle er die maßgeschneiderten weißen Kittel und die frisch gebügelten OP-Sachen glatt streichen, die an einem hölzernen Garderobenständer neben einem blubbernden Salzwasseraquarium hingen.
    Dann stellte er sich hinter sie. Stand dort, während sie las.
    Sie hatte den methodologischen Abschnitt zur Hälfte gelesen, als sich eine Hand auf ihrer Schulter niederließ.
    So dachte sie daran. Niederlassen. Wie ein Vogel – nein, ein leichteres Geschöpf – ein Insekt. Eine Eintagsfliege.
    So eine zarte Berührung, diese Spinnenfinger.
    Die Nähe fügte einen neuen Duft zu dem blitzsauberen Aroma hinzu. Ein angenehmes Eau de Cologne, etwas Würziges, Maskulines, das nur sparsam aufgetragen worden war.
    Sie konnte sich selbst atmen hören, ihn aber nicht.
    Er redete ununterbrochen. Seine Worte verschwammen für sie, und sie konnte nur die Berührung durch seine Finger spüren.
    Sie trommelten langsam auf ihrer Schulter. Bewegten sich zu ihrem Nacken, warm und trocken.
    Selbstbewusst. Das war es – sein Selbstbewusstsein, als sie begriff, wie selbstgefällig er zur Sache ging –, was sie erstarren ließ. Sie schüttelte ihn ab – heftig, wie sie glaubte. Aber er reagierte nicht, wenn man davon absah, dass er die Eintagsfliegenfinger hob.
    Sie sagte sich: Vergiss es, lies noch ein paar obligatorische Minuten weiter, bevor du einen Vorwand findest, um hier rauszukommen.
    Sie hörte ihn seufzen. Bedauernd, hoffte sie. Nichts Schlimmes passiert, kein Regelverstoß.
    Dann kam die Hand wieder – beide Hände. Gingen sofort zur Sache. Bevor sie begriff, was geschah, war eine unter ihre Bluse gerutscht, unter ihren BH gekrochen und umfing ihre Brust, packte eine Brustwarze und kniff sie sanft, bis sie erigiert war. Die andere streichelte den fast unsichtbaren Flaum an ihrem Unterkiefer. Als wolle er die Konturen nachziehen, wo ein Einschnitt erfolgen sollte.
    Sie sprang auf und sah ihn an.
    Er stand mit den Händen an den Seiten da. Beugte ein Knie, weil keine Bewegung beiläufiger erscheinen könnte.
    »Ich kann dich sehr glücklich machen«, sagte er.
    Sie hatte sich eine wütende Erwiderung zurechtgelegt, aber die Worte erstarben ihr auf der Zunge.
    Er grinste süffisant.
    Sie krächzte: »Wie … konnten Sie das tun!«
    »Ist das ein Einspruch?«, sagte er. »Oder eine Frage bezüglich der Technik? Falls das Letztere zutrifft, wäre ich glücklich, dir zeigen zu dürfen, wie ich das tun
konnte

    Er legte die Hand auf seinen Schritt. Massierte sich dort und zeigte die offenkundige Begeisterung vor, die ein Zelt in seiner Hose aufschlug.
    Sie floh. Hörte ihn lachen, als sie seine Tür zuschlug.
    »Melde den Scheißkerl«, sagte Jeremy, der die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpresste. Sich darum bemühte, seine Stimme gleichmütig klingen zu lassen.
    Sie flog in seine Arme, machte sich wieder los und begann, in seinem Büro umherzugehen. Sie blieb am Fenster stehen, starrte hinaus auf den Lichtschacht und warf die Hände in die Luft.
    »Ach, du Scheiße«, stöhnte sie. »Ich hab meinen Arztkittel bei ihm liegen lassen. Und mein Stethoskop. Ich muss noch mal dorthin zurückgehen.«
    »Auf keinen Fall. Ich hol die Sachen für dich.«
    »Nein – bitte nicht. Ich will nicht, dass es zu einer Szene kommt. Vergessen wir’s einfach. Ich überleg mir was.«
    Jeremy antwortete nicht.
    »Was ist?«, fragte Angela. »Warum bist du so still?«
    »Bist du

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