Der Perfekte Eroberer
Und in der britischen Daily Mail überschrieb im September 2009 die Publizistin Lucy Taylor einen ihrer Artikel mit »Die Ego-Epidemie: Wie mehr und mehr von uns Frauen sich in das Gefühl hineinsteigern, wie großartig wir sind«.
»Immer mehr von uns haben gewaltige Erwartungen an uns selbst, an unser Leben und jeden, der darin eine Rolle spielt«, führt Taylor darin aus. »Wir denken, dass sich das Universum um uns dreht, wir haben eine wahnhafte Vorstellung unserer Großartigkeit und glauben, dass wir klüger, talentierter und attraktiver sind, als es tatsächlich der Fall ist. Wir haben Probleme damit, Kritik zu akzeptieren und Mitgefühl auszusenden, weil wir mehr als genug mit uns selbst beschäftigt sind (…) Die Sphäre, in der unsere
Besessenheit von uns selbst vielleicht am offensichtlichsten ist und wo man die Folgen davon am unmittelbarsten fühlt, ist die Dating-Szene.« Als Beispiel nennt Taylor einen kürzlich erschienenen Magazin-Artikel, in dem mehrere Frauen in ihren späten Zwanzigern und Dreißigern erklärten, warum sie immer noch Single seien: »Eine 39-jährige Kosmetikerin behauptete, sie sei zu unabhängig für eine Beziehung. Eine 38-jährige Musikagentin erklärte ihren Singlestatus dadurch, dass sie ein Alphaweibchen sei: unabhängig, resolut, willensstark, ehrgeizig und einschüchternd. Sie betonte, dass sie ein tolles Appartement mit einer tollen Einrichtung besaß, ein schickes Auto, Mitglied eines angesagten Fitnessclubs war und Designermode trug. ›Ich tue, was ich will und wann ich es will‹, sagte sie. Man hatte ihr erzählt, und sie schien es zu glauben, dass sie zu erfolgreich und gebildet für die meisten Männer wäre. (…) Natürlich ist nichts falsch daran, hohe Ansprüche zu haben. Aber wenn sich das in Wahnhaftigkeit und vollkommen unrealistischen Plänen äußert, ist das eine ganz andere Sache.«
Als Unterstützung ihrer Beobachtungen zitiert Taylor Margot Medhurt, die Gründerin einer Partner-Vermittlungsagentur für Geschäftsleute. Nach 30 Jahren Tätigkeit in diesem Bereich stellte Medhurt jetzt eine bemerkenswerte Entwicklung fest: »Früher hatten Frauen, die sich an eine Partnervermittlungs-Agentur wandten, eine ziemlich gute Vorstellung davon, wo sie standen, wenn es um ihren Wert auf dem Partnermarkt ging. Aber seit einigen Jahren gibt es eine große Zahl von Frauen, auf die das nicht zutrifft. Sie sind oft in ihren Dreißigern, und es gibt eine gewaltige Kluft dazwischen, wie sie sich selbst wahrnehmen und wie sie von anderen wahrgenommen werden. Sie sind oft sehr unscheinbar, betrachten sich selbst aber als absolut
fabelhafte, außergewöhnliche Menschen. Und sie weisen unaufhörlich das Profil jedes Kerls ab, das ich ihnen zusende. Aber wenn ein Mann ihr Profil zurückweist, dann ist der Teufel los. Sie können es nicht fassen. Sie sagen: Ich bin so großartig. Wie kann er es wagen, mich abzuweisen? «
Margot Medhurt berichtet, sie habe einen Aha-Moment gehabt, als sie über den wachsenden Narzissmus bei jungen Frauen las: Es war eine Steigerung um 67 Prozent im Verlauf der letzten 20 Jahre festgestellt worden. Zu den Symptomen zählen ein übersteigertes Gefühl der eigenen Bedeutung, der Glaube, dass man jemand ganz Besonderes und besser als andere Menschen ist, ein Anspruch auf übermäßige Bewunderung, das Gefühl, ein Vorrecht auf Ruhm, Erfolg und Glück zu haben, die Unfähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, das Unvermögen, Fehler zuzugeben, ein hochnäsiges Verhalten mit der entsprechenden Einstellung.
Wenn schon eine seit Jahrzehnten tätige professionelle Partnervermittlerin diesen Supersingle-F-Klassen-Alpha-mädchen keinen einzigen Kerl schmackhaft machen kann, welche Chancen hast dann du als »ganz normaler Mann« auf dem Parkett der Partnersuche? Die Antwort lässt ein Experiment erahnen, das die lesbische amerikanische Journalistin Norah Vincent unternahm. Sie verkleidete sich für ihr Buch Mein Jahr als Mann als Mitglied des anderen Geschlechts und war so auch in der Dating-Szene unterwegs. Dort stellte sie überrascht fest, dass sie vor jeder Frau, mit der sie überhaupt nur näher in Kontakt treten wollte, zuerst einmal schaulaufen musste. Auch wenn die angeflirteten Damen selbst nicht viel zu bieten hatten, erhoben sie weitreichende Ansprüche, deren Erfüllungen sich oft gegenseitig ausgeschlossen hätten: deutlich
selbstbewusst, aber auf keinen Fall arrogant zum Beispiel. Am beliebtesten war die Mischung: ein richtiger
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