Der Perfekte Eroberer
unangenehmen Erlebnisse, die man im Einzelfall vielleicht sogar als »traumatisch« bezeichnen könnte. Wir konsumieren alle dieselben Medien und sind so denselben Botschaften ausgesetzt. Warum nehmen sich die einen so zu Herzen, was an den anderen ohne jede tiefere Wirkung vorbeigeht?
Hier ist es aufschlussreich, dass es auch körperlich nachweisbare Unterschiede gibt. So entdeckte der auf Angststörungen spezialisierte Psychiater David Sheehan, dass Menschen,
die unter Sozialphobien litten, ein biochemisches Ungleichgewicht aufwiesen, das sich negativ auf ihr Nervensystem auswirkte. Solche biologischen Erklärungsmodelle wurden in späteren Untersuchungen bestätigt. Andere Studien weisen auf genetisch bedingte Ursachen hin. Wenn die Kinder unsicherer und besonders sensibler Eltern diese Wesenszüge später selbst entwickeln, muss das nicht unbedingt an der Erziehung und an der Nachahmung von Rollenvorbildern liegen, sondern kann sehr gut genetisch bedingt sein.
Wir können nicht von heute auf morgen die gesamte Medienwelt umkrempeln, und wir können auch noch nicht wirklich sinnvoll in unsere biologischen Veranlagungen eingreifen. Aber wir können unsere Schüchternheit auf der psychologischen Ebene bekämpfen.
MIT WELCHEN DENKMUSTERN STELLEN SICH SCHÜCHTERNE SELBST EIN BEIN?
Wie ich schon angerissen habe, hat Schüchternheit oft mit einer bestimmten mentalen Einstellung zu tun, mit einer ganz besonderen Art, an manche Dinge heranzugehen. Wenn du deine inneren Selbstgespräche beeinflussen könntest, dann wärst du schon einen großen Schritt weiter, was die Überwindung deiner Schüchternheit anbelangt.
Betrachten wir die ganze Angelegenheit einmal aus dem umgekehrten Blickwinkel. Angenommen, du wolltest sichergehen, vor einer Begegnung ganz besondere Ängste und Hemmungen aufzubauen. Welchen Gedankenspielen solltest du sich dann hingeben? Sehr gute Chancen, deine Schüchternheit zu steigern, hast du, wenn du eines der folgenden Dinge tust:
Schätze das Risiko zu hoch ein. Das ist ein Manöver, das beim Erzeugen von Schüchternheit immer wieder zu Erfolgen führt. Alles, was du zu tun brauchst, ist, fest daran zu glauben, dass ganz sicher ein Debakel eintreten wird. Falls du also eine fremde Frau ansprechen möchtest, solltest du dir in den grellsten Farben ausmalen, dass sie vermutlich hysterisch um Hilfe schreien, dir eine knallen oder dich schallend auslachen und vor allen Umstehenden verspotten wird.
Einige andere Sätze, die du dir innerlich vorsprechen kannst, wären zum Beispiel:
»Sie wird mich ganz bestimmt für einen Volltrottel halten! «
»Alle werden mich anstarren!«
»Ich werde vor Angst stottern und stammeln, als wäre ich nicht ganz dicht!«
»Mir fällt ganz bestimmt nichts ein, was ich sagen soll!«
»Ich finde niemals eine Partnerin!«
Wann immer ein hoffnungsfroherer Gedanke auftaucht, solltest du ihn augenblicklich durch den folgenden ersetzen: »Ach, warum mach ich mir was vor, lass uns doch realistisch sein.« Was natürlich bedeutet, immer nur das Schlimmste zu erwarten.
Schwelge in Gedanken an die bevorstehende Katastrophe. Einfach nur davon auszugehen, dass bei deinem Kontaktversuch garantiert alles schiefgeht, reicht noch nicht ganz. Wenn du hier nicht arg aufpasst, schleicht sich sonst am Ende noch eine schulterzuckende Mir-doch-egal-Einstellung an: »Sie wird mich anschauen, als wäre ich der letzte Depp – na und? Morgen lachen wir beide darüber und
übermorgen haben wir es schon wieder vergessen.« Oder: »Vielleicht findet sie es sogar ganz menschlich und sympathisch, wenn ich nicht als der Profi-Aufreißer rüberkomme.« Oder: »Wenn mir nichts einfällt, lass ich sie halt reden. Die meisten Frauen lieben es, wenn ihnen ein Mann stundenlang bereitwillig zuhört.« Oder gar: »Wenn sie herumzickt, nur weil ich nicht die Wiedergeburt von Don Juan bin, dann hat sie mich auch nicht verdient und wir wären sowieso nicht glücklich miteinander geworden.« Lass solche Einwände nicht zu! Damit nimmst du das Debakel, das sich hier abzeichnet, fahrlässig auf die leichte Schulter. Schreibe lieber das Drehbuch zu deinem eigenen privaten Horrorfilm:
»Ich werde rot werden, anfangen zu zittern, einen psychotischen Schub erleben und im Irrenhaus landen!«
»Man wird mich für einen Sittenstrolch halten; ich werde zum Gespräch der ganzen Stadt und all meine Freunde verlieren!«
»Sie wird mich ignorieren oder zurückweisen, und was mache ich dann? Ich habe keine Ahnung, wie ich
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