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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Boden gesunken. Mit lautem Röcheln habe er nach Luft gerungen, sich in seiner Verzweiflung an die Kehle gegriffen. Seine Mutter und er hätten mit vereinten Kräften versucht, ihn wieder auf die Beine zu bringen, da sei er in ihren Armen gestorben.
    Mit ruhiger Stimme hatte Benedikt dies alles vorgetragen, nachdem er endlich vom alten Grafen und seinem illegitimen Pfaffensohn empfangen worden war. Fassungslos hatten die beiden ihm gelauscht, der Pfarrer mit Kopfschütteln, Graf Cunrat mit Tränen in den Augen. Am Ende war der Alte in Schluchzen ausgebrochen und hatte gestammelt: «Ich hab’s geahnt, ich hab’s geahnt – sein schwaches Herz!», und Benedikt war froh gewesen, als er wieder draußen im Burghof stand, zwischen den vollbepackten Karren, Mauleseln und Planwagen.
    Nachdem Benedikt ihr Bericht erstattet hatte, vermochte Clara endlich zu glauben, wovon ihr Sohn von Anfang an überzeugt war und was die Heilkundige in ihr bereits vermutet hatte. Nicht etwa kraft ihrer Hände war Filibertus Behaimer zu Tode gekommen, sondern weil er mit seinem Leben in Völlerei und Ausschweifungen einem schwächlichen Herzen zu viel zugemutet hatte. Mochte nun der Herrgott über ihn und seine Freveltaten richten.

Kapitel 32
    I n den folgenden Wochen steigerte sich die Seuche zu ihrem grauenvollen Höhepunkt. In jeder Gasse wütete sie, zog von Haus zu Haus, wo sie sich selten mit einem Opfer begnügte, ließ hier und da eines aus oder schlug nach kurzem Innehalten am andern Ende der Gasse zu – dort, wo gerade gefeiert, getrauert, geboren wurde. Den Hüttenschmied Peterhans traf es, die Flickschneiderin Thine mit ihren beiden Jüngsten, den alten Karrenbeck und Rudolf, den Gefängniswächter. Auch vor den Mauern der zahlreichen Freiburger Klöster, Regelhäuser und Beginenhöfe machte die Seuche nicht halt.
    Derweil errichteten die städtischen Büttel an jeder Straßenecke große Scheiterhaufen aus Eichen- und Wacholderholz, um die Luft von den giftigen Pestdünsten zu reinigen. Die Hausbewohner taten das Ihre und verbrannten Blutwurz, Baldrian und Bibernell im Herdfeuer oder draußen vor der Türschwelle. Tag und Nacht loderten die Feuer, und manches Holzhaus wurde ein Raub der Flammen. Der Gestank nach Rauch und Verwesung war kaum noch zu ertragen, und wer es sich leisten konnte, band sich Tücher mit Rosen- und Veilchenduft vor Mund und Nase oder rieb sich morgens mit Balsam und Myrrhe ein.
    Für Clara und Mechthild, die tapfer an der Seite ihrer Freundin blieb, begann ein letzter, vergeblicher Kampf. Fast täglich malten sie zehn, zwanzig Kreuze mit gelber Kreide auf die Türrahmen – ein Kreuz für jeden Pestkranken. Sie wollten, dassdie Menschen um die Seuche Bescheid wussten, und taten dies eigenmächtig, entgegen den Anordnungen der Stadtoberen, die die Kunde vom Massensterben möglichst wenig verbreitet wissen wollten. So durften die Leichname nur noch nachts aus den Häusern geholt werden, und in jeder Gasse standen hierzu Bahren und Bretter bereit. Die Räder der Leichenkarren mussten mit dicken Lumpen umwickelt sein, um den Tod unhörbar zu machen.
    Das Sterben selbst indessen ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Aus den verlassenen Häusern drangen Hilfeschreie, wer sich noch irgendwie erheben konnte, klammerte sich ans offene Fenster und flehte verzweifelt um Wasser und Essen. Nachbarn und Angehörige überließen die Sterbenden, ja sogar die eigenen Kinder sich selbst, kein Notar setzte mehr ein Testament auf, kein Geistlicher spendete mehr die Sakramente. Das Sterben war zur einsamsten Sache der Welt geworden. So machten Clara und Mechthild bald schon keine Krankenbesuche mehr, sondern durchwanderten einfach von früh bis spät die Gassen, geleitet von den Hilferufen, die manchmal nur ein kaum hörbares Wimmern waren, und erleichterten den Todgeweihten die letzte Stunde, indem sie ihnen die zersprungenen Lippen benetzten, Mohnsaft gegen die quälenden Schmerzen verabreichten oder einen letzten Becher starken Weines einflößten und dabei eine Kerze entzündeten und mit ihnen beteten.
    Von diesen Gebeten abgesehen, verrichteten Mechthild und Clara ihre traurige Arbeit inzwischen in völliger Schweigsamkeit. Zur Hand gingen ihnen und den wenigen verbliebenen frommen Schwestern und Ordensbrüdern nur noch die Pestknechte mit ihren Karren. Diese Männer gehörten zu den Ärmsten der Armen: ehemalige Bettler, Elende und Vagabunden,Gesetzesbrecher und aus den Dörfern geflohene Knechte, die von der Stadt

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