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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Häuser instand gesetzt. Der Bürgermeister mit seiner Familie war alsbald schon wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht, wenig später kehrte auch der Schultheiß mitsamt dem Stadtpfarrer und der gräflichen Familie aus dem Fürstenbergischen zurück sowie etliche tot gewähnte Ratsherren. Gleichwohl hatte die Stadt viele Mitglieder der Obrigkeit an die Seuche verloren, oft mitsamt ihren Familien, von den vielen hundert Bürgern und Hintersassen gar nicht zu reden.
    Dafür setzte nun ein Strom an Zuwanderern ein, hier wie anderswo am Oberrhein. Überall in den von der Seuche verheerten Städten durften sich Bauersleute als Taglöhner oder Knechte niederlassen, um die Arbeitskraft der Pestopfer zu ersetzen; fremde Bettler wurden nicht mehr verjagt, sondern zusammen mit den Hausarmen vor die Stadt geschickt, um dort die brachliegenden Felder urbar zu machen; die Zünfte lockerten ihre rigiden Arbeitsbestimmungen; Brautpaare durften eher heiraten. Selbst entflohene Gesetzesbrecher und Fahrende wurden angeworben, mit der Aussicht auf Straffreiheit und Wohnrecht.
    Im Winter dann, der sich bis über den Jahreswechsel mildegab, hatte die Stadt zwar noch immer weniger Bewohner als vor dem Großen Sterben, doch zeigte sich das in diesem Fall als ein Vorteil, so knapp wie das Angebot an Nahrungsmitteln auf dem Markt war. Immerhin hatte sich der Rat endlich dazu durchgerungen, den städtischen Kornspeicher zu öffnen und verbilligtes Brot auszugeben.
    Handel und Handwerk kamen also wieder in Gang, nicht zuletzt, weil es Arbeit in Fülle gab und weil viele Überlebende Grund und Vermögen geerbt hatten. Mancher ehemalige Junker Ärmlich von Habenichts sah sich nun als wohlhabender Bürger, die alteingesessenen Patrizier und Kaufherren erweiterten ihre Wohnhäuser oder ersetzten sie durch wahre Paläste.
    Nur der Werkplatz der Kirchenbauhütte blieb, wie jeden Winter, verwaist. Benedikt fertigte fortan gegen Stücklohn Tag für Tag Bausteine für reiche Pfeffersäcke, eine eintönige und stumpfsinnige Arbeit. Und dennoch war er der glücklichste Mensch unter Freiburgs Himmel. Mit der ersten Frühlingswärme nämlich würden sie sich in ein neues Leben aufmachen, Esther, er und die kleine Lea, dieses Wesen, das ihm das Schicksal so unverhofft geschenkt hatte. Seine Lea mit den Grübchen in den Wangen, den runden dunkelblauen Augen, dem blonden Flaum auf dem Schädel. Seine Tochter, die ihn mit ihrem Lächeln zu Tränen rühren konnte, die mit ihren winzigen Händen seine Finger umklammerte, als wolle sie ihn nie wieder loslassen.
    Sie würden in eine andere Stadt ziehen, wo niemand sie kannte, wo sie neu beginnen konnten, ohne dass Esther immer wieder qualvoll an das Schicksal ihrer Familie erinnert würde. Schon kurz nach ihrer Ankunft war sie in das Tucher’sche Haus Zum Rosbaum gezogen, um dort als Dienstmädchen zu arbeiten. Zumindest nach außen hin. Mit ihrem Drittteil vonMoisches Familienschatz – den Rest würde Clara wie ihren Augapfel hüten und für Eli und Jossele bewahren – war sie nämlich fast schon reich zu nennen.
    Das Ganze war Mechthilds Einfall gewesen. Auf diese Weise würde man jeglichem Gerede zuvorkommen. Dass das Judenmädchen Esther Grünbaum nach Freiburg zurückgekehrt sei, dazu noch mit einem Bankert im Arm, war nämlich längst wie ein Lauffeuer durch die Gassen gegangen. Und über den Grund ihrer Rückkehr, über eine heimliche Liebe wurde hinter vorgehaltener Hand ebenfalls eifrig spekuliert. In Gegenwart von Mechthild oder Clara wagte allerdings niemand laut das Wort zu erheben. Denn was die beiden Frauen während der Pestmonate an schier Übermenschlichem geleistet hatten, würde ihnen keiner in der Stadt je vergessen.
    Diese Wintermonate waren für Benedikt, trotz allen inneren Glücks, eine Durststrecke, sah er seine kleine Familie doch viel zu selten, und dann zumeist umringt von einer Horde tobender Kinder. Aber nicht zuletzt hatte Esther selbst für ihren Auszug gestimmt. In einem der wenigen Augenblicke, die sie für sich allein hatten, hatte sie ihm gesagt, dass sie es ohnehin nicht länger ausgehalten hätte in der Webergasse, nur durch eine Hauswand getrennt von ihrem einstigen Elternhaus. Und darüber hinaus sei auch die Versuchung zwischen ihnen beiden zu groß, so nah beieinander. Denn noch seien sie nicht Mann und Frau.
    «Aber wir sind Mann und Frau! Wir haben ein Kind zusammen», hielt Benedikt dagegen. Sie saßen Hand in Hand auf dem Bettrand, in Kathrins alter Wiege zu ihren

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