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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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gutes Gefühl. Warum nur hatte er sich gegenüber dem alten Grafen so weit vorgewagt? Hätte er doch den Dingen ihren Lauf gelassen, statt selbst Schicksal zu spielen. Aber jetzt war es zu spät.
    Gestern Abend, wenige Tage nach den Ereignissen in Basel, hatte ein Bote ihm ein versiegeltes Schreiben überbracht, das die Aufforderung enthielt, endlich zu handeln – dreißig dieser neuen rheinischen Gulden seien ihm hierfür versprochen, der Preis für ein edles Reitpferd. Zu Behaimers Überraschung war das Schriftstück nicht vom alten Grafen unterzeichnet, sondern von dessen Sohn sowie dem gräflichen Schultheißen Snewlin.
    Wohl oder übel hatte er sich also an seinen Auftrag gemacht und den Tag über einen leinenen Giftbeutel gefertigt. Nach dem Abendläuten war er dann auf Suche nach Meinwart Tucher, diesem jungen Hitzkopf und Judenhasser, gegangen. Wie erwartet, hatte er ihn in einer der anrüchigsten Schenken der Neuburgvorstadt gefunden, im Kreise seiner Kumpane und einiger Hübschlerinnen. Es war noch vor Torschluss, der Junge wirkte halbwegs nüchtern, und so hatte Behaimer ihn von seinem Knecht hinaus auf die Straße holen lassen und in einedunkle, verlassene Bresche zwischen den Häusern gezogen. Er wollte vermeiden, dass sie zusammen gesehen wurden.
    «Wärst du bereit, dich um die Belange unserer Stadt verdient zu machen?», hatte er ihn gefragt.
    «Kommt drauf an.»
    «Es handelt sich um eine höchst delikate Angelegenheit, um einen Auftrag von ganz oben. Du musst Stillschweigen schwören, bei deinem Leben.»
    Der Tuchersohn schien nicht sonderlich beeindruckt. Er fragte nur knapp: «Wie viel?»
    «Ein neuer rheinischer Goldgulden.»
    «Drei!»
    «Zwei. Das ist mein letztes Wort. Sonst suche ich mir jemand anderen.»
    «Als ob ich Euer Geld nötig hätte.» Er verschränkte die Arme. «Sagt mir erst, um was es geht.»
    «Um die Juden.» Behaimer zog den Beutel unter seinem Mantel hervor. «Bring das zur Brunnenstube im Mösle und leg es vor eine der Deuchelleitungen. Die, die dem Brunnberg am nächsten liegt.»
    «Aber die Lage der Brunnenstuben ist geheim. Niemand kennt sie.»
    «Ich schon. Die besagte Stelle liegt unter einem losen Stück Erdreich. Ich habe sie mit einem hellen, runden Kiesel markiert.»
    Der Junge schien endlich zu begreifen. «Dann geht es den Juden also jetzt an den Kragen? Da bin ich dabei!»
    «Nicht so laut! Du tust nichts anderes, als was ich dir gesagt habe. Und kein Wort zu niemandem, sonst erlebst du den nächsten Tag nicht mehr. Geh jetzt. Ich warte auf dich in der Au, beim Klötzlinstor. Da kriegst du dann deinen Lohn.»
    Zwei Stunden war das her, und Meinwart war noch immer nicht zurück. Unruhig trat Behaimer von einem Bein aufs andere, verzog dabei angewidert das Gesicht. Er mochte dieses wenig vornehme Viertel nicht, in dem Gerber, Fischer und Färber ihrem stinkenden Handwerk nachgingen. Inzwischen war es stockdunkel, und einmal schon war der Nachtwächter auf seiner Runde hier vorbeigekommen. Da hatte Behaimer sich eilends an die Brüstung zum Stadtbach gestellt und so getan, als müsse er pinkeln.
    «So spät noch unterwegs, Herr Stadtmedicus?», hatte der Wächter ihn gefragt, und Behaimer hatte etwas gemurmelt wie: «Die Kranken kennen keine Nachtruhe.»
    Bei einem zweiten Mal würde der gute Mann zu Recht Verdacht schöpfen. Rasch entzündete Behaimer sein Windlicht und erkannte in dem Moment auch schon die schlaksige Gestalt des jungen Tucher.
    «Na endlich! Bist du unterwegs eingekehrt, oder warum lässt du mich hier so lange warten?», blaffte Behaimer ihn an.
    «Nur mit der Ruhe, Doctor. Es ist alles erledigt.» Meinwart streckte die Hand aus. «Meinen Lohn!»
    «Den einen Gulden bekommst du jetzt, den andern, wenn ich sicher weiß, dass der Auftrag erfüllt ist.»
    Behaimer hob die Lampe vom Boden hoch und nestelte mit der Rechten in seiner Geldkatze. Dann drückte er Meinwart die schwere Münze in die Hand, wobei sein Blick auf dessen Gürtel fiel. Er stutzte. Aus der Messerscheide ragte ein Stück der Klinge hervor, die im Schein der Lampe dunkel und feucht glänzte.
    «Was ist das?» Er wies mit dem Kopf auf das Messer.
    «Nichts, was Euch angehen würde.»
    Meinwart schob das Messer vollends in die Scheide und verstaute das Geld.
    «Ich muss weiter, meine Freunde warten. Eine gesegnete Nachtruhe, Herr Stadtphysicus.»
     
    Am nächsten Morgen wusste es ganz Freiburg. In den Brunnenstuben war ein Giftbeutel gefunden worden, mit den üblichen Ingredienzien

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