Der Peststurm
sagte Nepomuk mit einem sanften Lächeln auf seinen Lippen, während er einen Arm auf die Schultern seines neuen Freundes legte, »anstelle deines Sohnes reite ich mit dir nach Staufen, um zu versuchen, deine Frau zu heilen. Sollte mir dies – wovor Gott uns bewahre – nicht gelingen, würde es Eginhard vermutlich auch nicht glücken. In diesem Fall könntest du mich zum Teufel jagen. Eginhard hingegen würde sich ewig Vorwürfe machen.«
Da Nepomuk wusste, dass ihn der Abt am liebsten hierbehalten und deswegen jetzt protestieren würde, dies aber aufgrund der Situation wohl nicht fertigbrachte, sah er ihn herausfordernd an.
»Jetzt haben wir unseren verlorenen Sohn endlich wieder im Schutze seines Ordens gewähnt, da möchte er schon wieder fort.« Abt Vigell presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf: »Also gut! Du tust ja sowieso, was du möchtest. Um der Sache willen … , in Gottes Namen: Meinen Segen hast du.«
»Aber … Eginhard? Wir müssen zuvor mit ihm sprechen! Er wird sich nicht davon abbringen lassen, seiner Mutter in der Stunde der Not beizustehen«, entgegnete der Kastellan, der zwar einerseits seinen Sohn gerne mitgenommen hätte, andererseits aber dachte, dass es für den erst frischen Medicus im Moment noch eine fürwahr unzumutbar verantwortungsvolle Aufgabe wäre, gerade seiner eigenen Mutter bei einer offensichtlich schlimmen und womöglich unheilbaren Krankheit zu helfen. Der Vater war der Meinung, dass Eginhard zwar ein großes Talent, aber aufgrund seiner Jugend doch noch recht unerfahren war.
»Er wird es verstehen«, antwortete Nepomuk milde, während der Abt zähneknirschend, aber zustimmend nickte und das Thema beendete, indem er zur Vesper bat.
Während die anderen beiden aufstanden, zögerte der Kastellan: »Aber da ist noch etwas!«
»Was denn?«
»Aufgrund des großen Glaubenskrieges sind die Straßen unsicher … und außerdem wütet in Staufen auch noch die Pestilenz!«
»Dass es auf den Straßen landauf, landab von marodierenden kaiserlichen und schwedischen Truppen nur so wimmelt, dürfte für Bruder Nepomuk kein Problem sein«, witzelte der Abt und überlegte ein Weilchen. »… aber die Pest?«, gab er dann doch zu bedenken.
»Ach was! Non mergor , wofür bin ich ein Heilkundiger? Vielleicht kann ich ja nicht nur der Frau meines Freundes, sondern auch noch anderen helfen?«
Zum Kastellan gewandt, ergänzte Nepomuk noch: »Gut, dass du es gesagt hast. Ich habe nicht nur vorzügliche Mittel, um deiner Frau zu helfen, sondern auch, um die ›Bubos‹ zu entleeren.«
»Bubos?«
»Ja! In einem orientalischen Buch über die Pest werden die eitrigen Pestbeulen so benannt. Obwohl diese Schrift alt ist und aus dem Jahre 398 nach der Hedschra stammt, birgt sie schon unschätzbar wertvolle Kenntnisse über die Pest.«
»Du bist nicht nur der Sprache des Morgenlandes mächtig, sondern kennst dich auch noch mit den dortigen Sitten und Gebräuchen aus?«, fragte der Kastellan erstaunt und bekam in dem Tonfall des Erhabenen zur Antwort, dass man erst die Sprache der Muslime beherrschen und deren manchmal merkwürdig anmutende Kultur kennen musste, bevor man sie zum richtigen Glauben bekehren konnte.
»Nun reicht es aber mit deinen von Gott ungewollten Sprüchen. Übe dich lieber in Demut! Und nun kommt endlich! … Die Vesper wartet«, fuhr der nun sowieso schon schlecht gelaunte Abt knurrend dazwischen.
»Es ist mir unangenehm, noch etwas einwerfen zu müssen«, traute sich Ulrich Dreyling von Wagrain fast nicht mehr zu sagen.
»Sprecht getrost«, ermunterte ihn der feinfühlige Abt, der dies bemerkt und sich sofort wieder beruhigt hatte. »Meine Rüge galt nicht Euch.« Als er dies sagte, sah er Nepomuk, der fast etwas verlegen wurde, streng an.
»Da die Pest schon seit Mai grassiert, gibt es in Staufen auch keine Lebensmittelvorräte mehr. Selbst im Schloss gehen sie langsam, aber sicher zu Ende … wenn sie dies zwischenzeitlich nicht schon sind. Im Dorf spielen sich deswegen schon seit längerer Zeit schreckliche Dinge ab. Um nicht zu verhungern, raubt einer des anderen Nahrungsmittel. Die Menschen schrecken selbst davor nicht zurück, Hunde, Katzen oder sogar … « Der Kastellan schluckte. »Weitere Scheußlichkeiten möchte ich Euch ersparen.«
»Das ist auch gut so«, hätte der Abt die Ausführungen des Kastellans sowieso abgewürgt. Er hatte sich schon Nepomuk zugewandt, dem er jetzt augenzwinkernd den guten Rat gab, seine gefürchtete Doppelaxt nicht
Weitere Kostenlose Bücher